Der Krieg in der Ukraine: So ist die aktuelle Lage

Blick auf beschädigte Straßen im Stadtteil Soltavka in Charkiw. Foto: Aziz Karimov/ZUMA Press Wire Service/dpa

KIEW – Die Kämpfe in der Ukraine gehen ungeachtet der von Russland angekündigten militärischen Deeskalation in der sechsten Woche mit unverminderter Härte weiter.

Die Verteidiger melden dabei Erfolge: Russische Einheiten hätten an keiner Stelle Geländegewinne verzeichnen können. Mehrere Siedlungen im südukrainischen Gebiet Cherson seien sogar zurückerobert worden. Auch die Lage in der Hauptstadt Kiew soll sich etwas entspannt haben. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola brach unterdessen zu einer Reise in die Stadt auf.

Evakuierung aus Mariupol noch nicht gesichert

Vor der geplanten Evakuierung von Zivilisten aus der umkämpften ukrainischen Stadt Mariupol hat das Rote Kreuz auf ungeklärte Fragen hingewiesen. «Es ist noch nicht sicher, ob das heute stattfinden wird», sagte der Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (ICRC), Ewan Watson, in Genf.

Die Konfliktparteien Ukraine und Russland hätten zwar einem humanitären Korridor zugestimmt, doch müsse noch sichergestellt werden, dass auch die Soldaten entsprechend informiert seien. Außerdem hätten sich beide Seiten noch nicht auf einen Zielort für die voraussichtlich mehreren Tausend Menschen geeinigt.

Am Freitagmorgen war ein Team des Roten Kreuzes mit drei Fahrzeugen auf dem Weg nach Mariupol. Das Rote Kreuz plant, den Evakuierungskonvoi aus Bussen und Privatfahrzeugen aus der Hafenstadt zu geleiten. «Uns gehen die Worte aus, um den Horror und das Leid der Bewohner von Mariupol zu beschreiben», sagte Watson. «Den Menschen in Mariupol läuft die Zeit davon. Sie brauchen dringend Hilfe.»

Ukraine meldet militärische Erfolge

Ukrainische Truppen eroberten nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen elf Siedlungen im südukrainischen Gebiet Cherson zurück. Beim Vormarsch im Norden der Region sei ihnen auch schwere russische Militärtechnik in die Hände gefallen, darunter Panzer vom Typ T-64.

Nach Angaben des Generalstabs in Kiew konnten russischen Einheiten nirgendwo Geländegewinne verzeichnen. Die östliche Großstadt Charkiw werde weiter beschossen, ein Durchbruchsversuch nahe Isjum sei aber gescheitert. Ein russischer Vorstoß im südlichen Gebiet Mykolajiw sei erfolglos gewesen. Im Norden hätten sich einige russische Einheiten zurückgezogen. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Südukraine und Dombass weiter hart umkämpft

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte allerdings auch Probleme an anderen Fronten des Krieges ein. «Die Situation im Süden und im Donbass bleibt äußerst schwierig», sagte der Staatschef. Russland will nach Ansicht des ukrainischen Generalstabs die militärische Präsenz in der Ost- und Südukraine aufrechterhalten. Es gebe Versuche, eine Verwaltung in den besetzten Regionen der Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson aufzubauen, teilte der Generalstab mit. Im Zuge dessen werde damit gerechnet, dass es dort weiterhin zu Kampfhandlungen kommen werde. Russland hatte mitgeteilt, das Gebiet Cherson vollständig erobert zu haben.

Selenskyj bestraft eigene Generäle

Der ukrainische Präsident entzog zwei Generälen ihren Titel, dem früheren Chef der Hauptverwaltung für innere Sicherheit, Andrij Naumow, sowie dem Ex-SBU-Chef für das Gebiet Cherson, Serhej Kryworutschko. «Jetzt habe ich keine Zeit, mich um all die Verräter zu kümmern. Aber nach und nach werden sie alle bestraft», sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. Nähere Angaben machte er nicht. Naumow war bereits im vorigen Sommer als Geheimdienstchef abgesetzt worden und hat sich angeblich vor Kriegsbeginn ins Ausland abgesetzt. Er soll Medien zufolge in Schmuggel und Korruption beim Zoll verwickelt sein.

Russland meldet ukrainischen Luftschlag auf Öllager

Die ukrainischen Streitkräfte sollen nach russischen Angaben von zwei Hubschraubern aus einen Luftschlag auf ein Öllager in Russland verübt haben. In dem Depot in der Großstadt Belgorod sei es nach dem Angriff zu einem Brand gekommen, teilte der Gouverneur des Gebiets, Wjatscheslaw Gladkow, im Nachrichtenkanal Telegram mit. Auf einem Video war auch ein großes Feuer zu sehen. Belgorod liegt unweit der ukrainischen Grenze. Es habe keine Opfer gegeben, sagte Gladkow. Die Lage sei stabil.

Stadtkommandant: Lage in Kiew verbessert sich

Unterdessen entspannte sich die Lage in Kiew nach Angaben des Stadtkommandanten etwas. Die Situation rund um die Hauptstadt verbessere sich, hieß es in einer am Donnerstagabend veröffentlichten Mitteilung von General Mykola Schyrnow. Die zivile Infrastruktur werde wiederhergestellt, dies betreffe Unternehmen wie auch Handels- und Dienstleistungseinrichtungen. In den Außenbezirken Kiews werde aber weiter gekämpft. Schyrnow rief die Bevölkerung zur Vorsicht auf. Luftalarmsignale sollten weiter beachtet werden.

EU-Parlamentspräsidentin auf dem Weg nach Kiew

EU-Parlamentspräsidentin Metsola brach zu einer Reise in die Hauptstadt auf. «Auf dem Weg nach Kiew», schrieb die Christdemokratin am späten Donnerstagabend im Kurznachrichtendienst Twitter. Bereits Mitte März waren die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien mit einem Zug nach Kiew gereist, um sich mit dem Selenskyj zu treffen.

Millionen Ukrainer flüchten nach Polen

Mehr als 2,4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine haben sich seit Beginn der russischen Invasion vor mehr als einem Monat ins Nachbarland Polen in Sicherheit gebracht. Allein am Donnerstag seien rund 23 000 Neuankömmlinge abgefertigt worden, teilte der polnische Grenzschutz beim Kurznachrichtendienst Twitter mit. In Deutschland kamen nach Angaben des Innenministeriums bis Freitag mindestens 294 000 Flüchtlinge an. Die Ukraine zählte vor Beginn des Kriegs mehr als 44 Millionen Einwohner.

Das wird heute wichtig

Ein von Putin unterschriebenes Dekret tritt in Kraft, wonach westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu bekommen. Demnach kann auf das russische Konto weiter in Euro oder Dollar eingezahlt werden. Russlands Außenminister Lawrow trifft derweil seinen indischen Kollegen in Neu Delhi. Der Ukraine-Konflikt ist auch Thema beim EU-Gipfel mit China. Per Videokonferenz kommen Spitzenvertreter der EU mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Regierungschef Li Keqiang zusammen.

Bildquelle:

  • Charkiw: dpa

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