von KLAUS KELLE
BERLIN/KARLSRUHE/MÜNCHEN – „Jetzt sind Ferienzeiten. Jeder soll mal bisschen runterkühlen, die Beine mal ins Wasser hängen oder egal was man so macht. Und dann starten wir einen neuen Anlauf!“ Das ist der Ratschlag des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Markus Söder zum Umgang mit der Koalitionskrise um die gescheiterte Verfassungsrichter-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Erst einmal ein bisschen chillen, kalt duschen und dann vernünftig miteinander reden.
Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen den so ungleichen Koalitionspartnern Union und SPD weiter hoch angespannt, seit sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der vergangenen Woche weigerte, die Potsdamer Professorin als Richterin am höchsten deutschen Gericht einfach durchzuwinken. Zu klar politisch positioniert ist Brosius-Gersdorf, zu verfassungsrechtlich bedenklich ist ihre Position besonders zum Lebensschutz und zur Würde des Menschen.
Bundestagsabgeordnete sind erst einmal ihrem Gewissen verpflichtet, danach der Fraktions- und Parteidisziplin. Und viele Abgeordnete der beiden CHRISTLICH-demokratischen Parteien mit dem C im Namen sind auch heute noch eindeutig für den Schutz des Lebens vom natürlichen Anfang bis zum natürlichen Ende positioniert.
Und wenn Dutzende Bundestagsabgeordnete keine Verfassungsrichterin wählen wollen, die ungeborenen Kindern den Rechtsschutz des Artikels 1 GG verweigern, dann ist das ihr gutes Recht.
Und überhaupt: Wieso diese Aufregung?
Im Jahr 2024 zum Beispiel hatten die Grünen ein Veto gegen den Unions-Kandidaten Robert Seegmüller, einen konservativen Richter am Bundesverwaltungsgericht, eingelegt. Der galt als ausgesprochen migrationskritisch. Und der Einspruch der Grünen reichte aus, dass die Union den Kandidaten zurückzog. Punkt!
Ganz einfach, weil ein Richter an höchsten Gerichten von Anfang an nicht den Hauch eines Zweifels an seiner Neutralität und Unabhängigkeit aufkommen lassen darf. Denn sonst leidet das Ansehen dieser bei der Bevölkerung immer noch hochangesehenen Institution der Rechtspflege.
Frau Brosius-Gersdorf ist der Vorschlag der SPD, und eine Koalition, die Bestand haben will, muss Kompromisse eingehen. Und Söder bekräftigte gestern, dass sie eine „hochkompetente Juristin“ sei. Aber die Professorin aus Potsdam bestreitet die Menschenwürde eines Kindes, wenn es noch nicht geboren ist, und sie weiß auch schon heute, dass man die AfD verbieten müsse, bevor überhaupt ein Antrag für ein Verbotsverfahren und eine Begründung dafür auf dem Tisch liegen. Unvoreingenommen geht anders.
Der AfD stehen übrigens im Deutschen Bundestag mehrere Ausschussvorsitze zu. Und man verweigert sie ihr, u. a. weil Grüne und Rote sagen, niemand könne ihre Abgeordneten zwingen, für einen AfD-Kandidaten stimmen zu müssen. Das ist wahr. So, wie niemand die Abgeordneten von CDU und CSU zwingen kann, eine schreckliche Richterin ins höchste deutsche Gericht zu wählen. So einfach ist das.
Die SPD bekundet auch nach einer Woche weiter ihre geschlossene Unterstützung für die Genossin Brosius-Gersdorf. Zu „100 Prozent“, sagt SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf. Ich kenne niemanden in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der oder die Frau Brosius-Gersdorf jetzt noch oder wieder für wählbar hält. Die Kandidatin ist „beschädigt“, wie man das im politischen Alltag so sagt.
Ich bin weiter überzeugt, dass die Union in dieser Personalie nicht wackeln und die Potsdamerin nicht wählen wird.
Aber der Preis dafür wird hoch sein. Denn die zweite SPD-Richterkandidaten Ann-Katrin Kaufhold ist vom gleichen linksideologischen Kaliber, und wenn Frau Brosius-Gersdorf zurückzieht oder zurückgezogen wird von der SPD, ist Kaufhold sicher gesetzt. Würden CDU und CSU auch diese Frau ablehnen, wäre die Regierungskoalition am gleichen Tag final vorbei. Und das würde unser Land in eine wirklich dramatische Krise führen angesichts der Herausforderungen dieser Zeit.
Bildquelle:
- Frauke Brosius-Gersdorf: uni potsdam / finn winkler