BERLIN – Die schwarz-rote Bundesregierung hatte einen durchwachsenden Start, im Grunde einen schlechten. Die repräsentativen Meinungsumfragen der vergangenen Wochen belegen die dramatische Entwicklung der Zustimmungswerte nach unten. Für die Union und ihren Bundeskanzler Friedrich Merz persönlich, die SPD ist sowieso historisch auf dem Tiefpunkt.
Dabei ist alles da – die parlamentarische Mehrheit ebenso wie jede Menge (geliehenes) Geld. Aber wo ist der große Wurf? Wo sind die Entscheidungen, die uns Bürger die versprochene Politikwende erkennen lassen?
Um diese Fragen ging es gestern bei der langen Sitzung des Koalitionsausschusses im Bundeskanzleramt.
Im Anschluss äußerte sich Merz vor Kameras und sprach von einer „wirklich ausgesprochen guten Atmosphäre“. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) assistierte: „Es war auch eine ernste Stimmung, weil wir ernste Zeiten haben.“ Man habe „dicke Bretter gebohrt“.
Tatsächlich muss diese Bundesregierung endlich liefern
Die Union hat klare Vorstellungen, die sie aber ohne SPD nicht durchsetzen kann bei Migration und Wirtschaft. Die SPD will ihre letzten Wähler nicht verlieren und ständig schwarze Kröten schlucken müssen. Doch gestern Abend scheint man zumindest ein Stück weit voran gekommen zu sein, auch weil die führenden Köpfe der Sozialdemokraten den Anschein machen, dass sie sich nicht nur auf das Nachbeten weltfremder grüner Ideologieprojekte konzentrieren muss, sondern auf die Bedürfnisse ihre Kernklientel von einst: der vielzitierten kleinen Leute.
So darf man die gestrigen Ergebnisse zum Beispiel bei den Änderungen beim Bürgergeld durchaus als Erfolg betrachten. Im Gegenzug brachten die Sozialdemokraten bei der Rentenpolitik ihre Vorstellungen durch.
Das Bürgergeld war eines der Hauptthemen im Bundestagswahlkampf für CDU und CSU. Wer Staatsgeld bekommt, muss auch etwas leisten, so die Devise.
Und wer sich verweigert, muss mit Kürzungen, im schlimmsten Fall mit vollständiger Streichung der staatlichen Unterstützung rechnen. Anders gesagt: Beim ersten unentschuldigten Versäumnis eines Termins im Jobcenter werden die Leistungen direkt um 30 Prozent gekürzt. Erscheint ein Leistungsempfänger auch beim zweiten Mal nicht, werden erneut 30 Prozent gekürzt – und beim dritten Mal ist es vorbei mit dem Bürgergeld und auch mit der Mietkostenübernahme. Ein Schritt in die richtige Richtung.
Zukünftig soll auch das Vermögen der betroffenen Geldempfänger nicht mehr geschont werden. Bisherige Karenzzeiten sollen wegfallen, das Schonvermögen soll stattdessen an die Lebensleistung geknüpft werden. „Es wird die neue Grundsicherung geben, so wie im Koalitionsvertrag verabredet“, versprach Merz den 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern Und SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas sagte nach der Gesprächsrunde im Kanzleramt: „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben. Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist.“
Durchgewunken wurde auch die neue „Aktivrente“
Ab Erreichen der Regelaltersgrenze bei regulären, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sollen ab 1. Januar 2026 diejenigen, die freiwillig weiter arbeiten wollen, mehr Netto bekommen und zwar schon direkt bei der Lohnsteuer, nicht erst später mit der Steuererklärung.
Bewegung gab es schließlich auch noch beim von der EU beschlossenen Verbrenner-Aus ab 2035 – seit langem ein Streitpunkt zwischen den Koalitionspartnern. Kurz vor dem Merzschen „Autogipfel“ bekräftigen die Partner, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen in der deutschen Automobilindustrie das vorrangige Ziel sei, auch wenn es im Detail unterschiedliche Auffassungen gäbe.
Die Union will das Verbot der Zulassung neuer Verbrennerfahrzeuge auf dem EU-Markt ab 2035 kippen. „Das starre und strikte Aus des Verbrenners ab 2035 ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Das kann so nicht bleiben. Wir brauchen da mehr Möglichkeiten“, sagte Söder. Und SPD-Chef Lars Klingbeil sieht Spielräume für Kompromisse in dieser Frage, denn die SPD wolle einen starken Automobilstandort, sie wolle auch die Arbeitsplätze für die Zukunft sichern.
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