Aber es geht uns doch immer noch gut…

von MARTIN D. WIND

Stellen Sie sich vor, Sie sind Beifahrer während einer Fahrt über eine Passstraße mit vielen Serpentinen. Stellen Sie sich vor, Ihre Fahrerin heizt mit vollkommen irrwitzigem Tempo diese Straße entlang. In beinahe jeder Kurve droht das wunderschöne Fahrzeug, das sie lenken darf, über den Straßenrand hinaus in den Abgrund zu stürzen. Nur mit quietschenden Reifen und mit Hilfe aller im Fahrzeug vorhandenen Regeltechniken gelingt es überhaupt, den Wagen in der Spur zu halten. Die Fahrerin wirkt von „ihren vermeintlich eigenen Fahrkünsten“ geradezu berauscht und verzückt.

Sie nimmt während ihrer aberwitzigen Fahrt sogar Abkürzungen über längst geschlossene Bergpfade und bricht durch Naturschutz-Areale. Ihr scheint alles egal, was da so mühsam gehegt und gepflegt wird. Sie nimmt zwar widerwillig auch Ihre Angst, Ihren Ärger, ihre Wut und Ihre Besorgnisse wahr, tut diese aber ab oder verspottet sie sogar. Als Sie darum bitten, ein vernünftigeres Tempo vorzulegen, auf den vorgeschriebenen Wegen zu bleiben und sich nicht über die Verkehrsordnung sowie das Gesetz hinwegzusetzen, lacht sie Sie schlicht aus. Ihre Antwort: „Warum meckerst Du ständig rum? Wir haben schönes Wetter, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und wir konnten gut essen und trinken.“

Ich meine, Sie wären erst irritiert, dann erstaunt und zum Schluss – so nehme ich stark an – sehr verärgert. Und das wären sie zu recht. Denn die Fahrerin des Fahrzeugs nimmt Sie sichtlich schlicht nicht ernst. Sie geht mit keinem Wort auf Ihre Bedenken, Ihre Ängste und Ihre Bitten sowie Forderungen ein. Und beinahe so kann man das Verhalten der derzeit auf Bundesebene verantwortlich Handelnden gegenüber den Bürgern empfinden: Wir werden mehr oder weniger mit salbungsvollen Worten von oben abgebügelt. Das klingt nicht nur aus Ministerien oder anderen staatlichen Einrichtungen so, daran beteiligen sich auch Stiftungen, Gewerkschaften oder Medien.

Es kann Ihnen heute in einer politischen Diskussion über inkonsequente Abschiebung straffällig gewordener Eingereister passieren, dass Ihr Gegenüber plötzlich darauf hinweist, dass es uns in Deutschland aber so gut gehe wie schon lange nicht mehr. Und dann flutet er Sie mit Zahlen der Agentur für Arbeit, die „so wenige Arbeitslose wie selten“ meldet. Über all die Tricks, mit denen die Arbeitslosenstatistik im Sinne der Regierenden „aufgehübscht“ wird, redet man nicht. Aber immerhin: Das heikle Thema Abschiebung ist damit erstmal beerdigt.

Sie diskutieren in den Sozialen Medien über rund 400.000 Eingereiste aus dem Jahr 2015, von denen die Behörden weder wissen, wo sie sich aufhalten noch ahnen, wer sie sind, geschweige denn  eine Vorstellung davon haben, was diese Menschen vorhaben. Auch hier springt plötzlich einer auf und blökt in die Runde: „Aber dafür haben im vergangenen Jahr soviel Kinder in Deutschland Abitur gemacht wie noch nie. Das ist doch toll!“ Und er beklagt, die allgemeine permanente Kritik an der eigentlich doch erfolgreichen politischen Arbeit. Schon fühlt man sich wie ein undankbares Kind und zieht sich lieber in die Schäm-Ecke zurück. Unangenehmes Thema vom Tisch!

 

Überhaupt ertönt es zu Beginn des Bundestagsjahres aus vielen Verlautbarungs-Organen, wie strahlend unser erfolgreiches Deutschland doch dastehe und was für Kleingeister die Kritiker angesichts dieser Erfolge eigentlich seien. Kaum jemand in der Publizistik kommt auf den Gedanken, dass es erstaunlich ist, wie gut sich Deutschland trotz unserer Politik(er) noch hält. Kaum jemand merkt an, dass es die Kritiker sind, die mit Ihrem Fleiß, mit Ihrer Arbeit und mit Ihrer Geisteskraft den Standort Deutschland weiterbringen. Das trotz des Aberwitzes, der da oft in fernen Büros in Regierungssitzen betrieben wird. Ohne die „stillen Helferlein“ der Regeltechnik – wie in dem oben beschriebenen Bild – stünden Politik derzeit ziemlich bedröppelt da. Und es ist eigentlich nur richtig, wenn man uns „stillen Helferlein“, den Leistungsträgern und -erbringern unserer Gesellschaft, endlich auch mal befriedigende Antworten auf vernünftige Fragen geben würde. Verdient haben wir Bürger das, denn bei vielen kommt inzwischen eben nicht mehr erst das Essen und dann die Moral.

Bildquelle:

  • ZickZack: pixabay

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