Gespräche über den Sozialismus, planschen im hellblauen Meer und Besuch bei der Jungfrau Maria

Liebe Leserinnen und Leser,

frühe Vögel kommen in der Frühe an, deshalb heißen sie ja auch so. Manchmal sind sie auch aus wichtigem Grund verspätet – so wie ich heute. Bitte entschuldigen Sie, gibt echt Gründe dafür! Und zwar gute.

Als ich am vergangenen Wochenende mit meiner Familie nach Kroatien aufbrach, ahnte ich nicht, dass statt des Sommerlochs reger politischer Betrieb in Deutschland herrschen würde. So gibt es Aufregung um eine Kampagne, die mutmaßlich von AfD-nahen Kreisen initiiert wurde und die ganz Deutschland mit Plakaten übersäht. Darauf wird auf die Kollateralschäden grüner Politik hingewiesen: Sozialismus, Planwirtschaft und so weiter. Ich denke, Sie alle haben das ein oder andere Plakat bereits gesehen. Der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Jan-Philipp Albrecht (Grüne) fordert nun dazu auf, die Firma Ströer, die ihre Werbeflächen für diese Kampagne natürlich gegen Entgelt bereitgestellt hat, zukünftig zu boykottieren. Wie es ausschaut, haben nicht mal die führenden Personen in der grünen Partei verstanden, wie Marktwirtschaft funktioniert: Es steht den Grünen frei, die Firma Ströer mit eigenen Plakaten zu beauftragen oder auch nicht. Soweit ich weiß, muss kein Unternehmen einen Gesinnungstest bestehen, um Aufträge entgegennehmen zu können.

Gleichzeitig wurde jetzt bekannt, dass die großflächigen Wahlplakate der FDP in Brandenburg überall verschmutzt, bemalt und beschädigt worden sind. Viele grüne Politiker haben die Beschädigung der Plakate ihrer Konkurrenz freudig zur Kenntnis genommen, und Fotos über Twitter und Facebook geliked und geteilt. Also man fordert auf der einen Seite ein, selbst fair behandelt zu werden, während man auf der anderen Seite selbst ordentlich austeilt. Das nennt man Doppelmoral. Und von Herrn Minister Albrecht habe ich bisher auch kein Wort der Empörung dazu gehört. Wieder einmal wird meine alte Grundüberzeugung eindrucksvoll belegt, dass Linkssein vor allem auf den Grundpfeilern Heuchelei und Doppelmoral beruht.

Und sonst noch? Die Renten sind wohl doch nicht sicher, die Taliban erobern eine Stadt nach der anderen in Afghanistan, die Corona Maßnahmen werden in Deutschland verlängert, die Maskenpflicht aber gleichzeitig in Dänemark komplett abgeschafft, und wer sich nicht impfen lässt, hat wohl, wie der Volksmund das nennt, die Arschkarte gezogen.

Persönlich sehr betroffen macht mich die Nachricht vom Tod Kurt Biedenkopfs, der einer Generation von Politikern angehört, die heute in dieser Qualität nicht mehr zu finden sind. Zumindest nicht in meiner Partei und auch ansonsten wüsste ich nicht, wer dem „König von Sachsen“ heute in Deutschland das Wasser reichen könnte. Biedenkopf war ein Politiker, der die Menschen versöhnen und zusammenführen wollte. Heute ist Politik bestrebt, die Menschen gegeneinander aufzubringen. Ich habe ihn vor Jahrzehnten persönlich kennenlernen dürfen, und ich werde heute Abend für sein Seelenheil beten.

Und während ich das alles schreibe, bin ich doch sehr froh, dass ich mit meiner Familie hier in Kroatien sein kann. Die Sonne scheint, der Strand ist lauschig und vielleicht werden wir nachher wieder ein wenig mit dem Boot umherschippern. Ich genieße diese wunderbaren, unbeschwerten Tage, das einheimische Bier, die Sonne und die Tavernen (Sie wissen schon :)), die mich Abstand nehmen lassen von allem, was zur Zeit an wahnsinnigen und verrückten Sachen in meinem Heimatland passiert.

Ich/wir haben inzwischen ein paar Einheimische kennengelernt – unfassbar geradinige Leute, total stolz auf ihr Kroatien. Ich habe jeden einzelnen beim Wein oder auch kubanischen Tabakerzeugnissen irgendwann gefragt, ob sie sich als Osteuropäer inzwichen als zum Westen zugehörig fühlen oder der guten alten Zeit nachtrauern. Nicht einer will noch Osten sein! Der Skipper, mit dem wir gestern den ganzen Tag Insel-Hopping (@Thomas, @Dieter, kennt Ihr ein deutsches Wort, das das besser beschreiben könnte?) betrieben haben, fragte mich irgendwann, ob er ein kaltes Bier aus unserer Kühltasche haben könne. Natürlich konnte er. Wir plauderten ein bisschen über dies und das. Er erzählte mir, dass er als junger Mann Sozialist gewesen sei und in einer linken Jugendorganisation. Aber heute stehe er politisch rechts, weil er jetzt arbeite und wisse, dass Sozialismus völliger Bullshit ist. In all den Jahrzehnten habe Sozialismus noch niemals irgendwo auch der Welt Verbesserungen für die Menschen gebracht oder auch nur funktioniert. Ich erzählte ihm, dass Sozialismus in Deutschland neuerdings wieder hipp sei und manche Ostdeutsche Putin verehrten. „Crazy people in your country“, antwortete er und schüttelte den Kopf. Dann nahm er einen langen Schluck aus der Bierdose und sagte: „There are two staates you never can trust: Serbia and Russia! Die Leute in diesen Ländern sollten wählen und machen, was sie wollen, aber sie sollten die Kroaten bloß in Ruhe lassen….

Gerade klingelt mein Handy, am anderen Ende mein wunderbarer Kollege Matthias Matussek, der gerade in Dubrovnik abhängt. Wir beide würden jetzt gern drei, vier Flaschen Wein zusammen leeren an irgendeinem kleinen Holztisch mit blau-weiß-karierten Deckchen und Blick auf die Kreuzfahrtschiffe im Hafen. Sprechen über Deutschland, das Leben und die Liebe. Aber das wird so kurzfristig nichts, weil er 300 Kilometer entfernt ist und weiter muss zu einem Besuch bei der Jungfrau Maria in Medschugorje. Und Kelles müssem am Sonntag – natürlich nach der Messe in der Kathedrale von Split – die Heimreise antreten, weil ich am Mittwochabend in Hamburg sowas ähnliches habe wie Matthias…

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.