Bei der Jagd auf Kardinal Woelki zeigen die Medien keinen Anstand

Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln.

von MARTIN D. WIND

KÖLN -Die Kirche liefert derzeit Schauspiele, die Außenstehende erheitern, Gläubigen aber den Atem rauben. Da sind die schismatisch Bewegten der deutschen Kirche auf dem „Synodalen Weg“ der – unterstützt von einigen hohen Amtsträgern – Streit mit Papst Franziskus sucht und die Lehre der römisch-katholischen Kirche umschreiben wollen. Und dann ist da die zum Skandal aufgeblasene Aufklärung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln. Der erste Vorgang erhellt schlaglichtartig, wie es um die Treue zur Kirche im Klerus und im Funktionärskatholizismus bestellt ist. Letzteres zeigt Mechanismen auf, wie z.B. den Missbrauch von Medien zur Vendetta gegen einen persönlich unbequemen Menschen instrumentalisiert wird. Lassen Sie uns das mal genauer betrachten.

Selbstverständlich ist es ein nachfragewürdiger Vorgang, wenn die älteste Institution der Menschheit erst kleinlaut, nichts destotrotz vollmundig, verspricht, man wolle „jetzt“ „vollumfänglich“ aufklären. Und noch besser: Das Ergebnis der Aufklärung der Öffentlichkeit transparent und in Gänze zur Einsicht zur Verfügung stellen. Doch dann kam alles anders: Das Erzbistum Köln veröffentlichte das zuvor groß angekündigte Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl aus München nicht! Was war geschehen? Sollte da – der ewig Vorwurf – „vertuscht“ und „unter den Teppich gekehrt“ werden?

Alles ganz anders, so teilte das Erzbistum mit: Das vorgelegte Gutachten dürfe nach Meinung zweier Begutachter in der vorliegenden Form nicht veröffentlicht werden. Begründung: „methodische Mängel“, „äußerungsrechtliche Mängel“, die bei einer Veröffentlichung schwerwiegende Folgen für die Auftraggeber nach sich ziehen können. Bis zu zwei Jahre Gefängnis drohen, wenn man wegen „übler Nachrede“ verurteilt wird. Noch höher liegt der Strafrahmen bei einer „falschen Verdächtigung“. Umgehend wurde ein juridisch und methodisch sach- und fachgerechtes Gutachten in Auftrag gegeben

Diese Erklärungen hielten aber die Skandalsucher der Kölner Regionalpresse nicht davon ab, frank und frei zu posaunen, der Erzbischof von Köln, Rainer Kardinal Woelki, versage im Umgang mit dem Thema Missbrauch, er betreibe weiter die Politik der Vergangenheit, er schütze die Täter und verletze die Opfer und habe ein „Gegengutachten“ in Auftrag gegeben. Seit Ende Oktober 2020 tobt nun diese Schlacht gegen den Mann an der Spitze des Kölner Erzbistums, seit Ende September brandet tatsächlich beinahe täglich mindestens eine Welle der Kampagne gegen das Bischofshaus. Bleibt sie mal aus, kann man sicher sein, dass zwei Tage später drei Beiträge im Blatt stehen.

Da wird die gesamte bewährte Klaviatur für Tendenzberichterstattungen bespielt. Sie wurde bereits eingesetzt, um andere nicht fügsame Amtsträger der Kirche zu demontieren. Es entsteht der Eindruck, es werde mit Vorsatz und Ziel das Klima so vergiftet, dass eine weitere Verwendung der Person in seinem Amt in der Diözese nicht mehr sinnvoll scheint. Diese Strategie ist bekannt und wohl erprobt. Die „Waffen“ sind immer die gleichen: Erst skandalisiert man den Vorgang, dann befragt man Medienkonsumenten zu ihrem Urteil über die selbst skandalisierten Vorgänge. Logisch, dass da außer erregter Schnappatmung und hohldrehender Ereiferung kaum vernünftige Worte einfangen werden.

Auch die Protagonisten, Wortmelder, Meinungsabgeber und Einordner sind alte Bekannte. An erster Stelle die „lieben Brüder im Bischofsamt“: Genn, Bätzing, Marx, alle mit trauerschweren Bedenken wegen des „großen Schadens“ der durch die „fürchterliche Situation“ in Köln der Kirche entstünde. Auch die moralisch sattelfeste Ex-Bischöfin der evangelischen Kirche, Käßmann, hatte die Verbalinkontinenz nicht im Griff. Die EKD geht bekanntermaßen „vorbildlich“ mit dem Thema Missbrauch um.

Der Narr Jürgen Becker durfte sich gleichermaßen ausmähren wie der Münsteraner Kirchenrechtler Schüller, ja sogar der Missbrauchsbeauftragte der Regierung, J-W Rörig, hat gewichtige Gedanken beigetragen. Selbst die erfolgreiche Konkurrenz, die überregional Tageszeitung „BILD“ wurde als Zeuge gegen den Kardinal zitiert. Es gab den erwartbaren, öffentlichen Brandbrief einiger Pfarrer, wie üblich fanden sich Diözesanratsmitglieder oder auch eine Kreiskatholikenrätin, die sich instrumentalisieren ließen. Das könnte hier jetzt bis zur Sterbenslangweile fortsetzen werden. Wird es aber nicht.

Um es kurz und sehr anschaulich darzustellen: Wenn eine Ampel rot zeigt, dann hält man an. Wer dann anfängt rumzumeckern, hat entweder keine Augen im Kopf oder er ist schlicht nicht in der Lage die Situation zu verstehen oder er will sie bewusst nicht verstehen. Da die meisten der Protagonisten zu den üblichen Verdächtigen zählen, darf guten Gewissens letzteres unterstellt werden.

Morgen kommt das hoffentlich handwerklich vertretbare Gutachten. Dann kann darüber geurteilt werden, ob Woelki „vertuscht“, „unter den Teppich kehrt“, „versagt“, Verantwortung übernehmen muss oder gar zurücktreten sollte. Aber es wird wahrscheinlich offenbar werden, wer sich da doch lieber auch an die eigene Nase fassen muss.

Bildquelle:

  • Kardinal_Woelki: .st-peter-und-laurentius.

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