Immer mehr katholische Schulen schließen – und was das für unsere Gesellschaft bedeutet

Entgegen dem Trend der Großkirchen blühen kleine katholische Pflänzchen wie die Apostolische Schule der Ordensgemeinschaft Legionäre Christi in Bad Münstereifel.

von ESTHER VON KROSIGK

KÖLN – Ende März dieses Jahres verkündete das Erzbistum Köln, das die vor über 100 Jahren gegründete Liebfrauenschule in Bonn – ein traditionsreiches Mädchengymnasium – 2029 geschlossen wird. Es ist eine von 33 Schulen im mitgliederstärksten deutschen Bistum und nur ein Beispiel für zahlreiche andere katholische Bildungseinrichtungen im gesamten Bundesgebiet, die aufgegeben werden. Aus finanziellen Gründen oder weil die Zahl der Schüler sukzessive abnimmt. Aber auch, weil der gesellschaftliche Rückhalt der Kirchen immer mehr schwindet. Zwar ist die katholische Kirche der größte Privatschulträger in Deutschland, doch die Aufdeckung immer neuer Missbrauchsskandale und der Schwund an Mitgliedern machen ihr mehr und mehr zu schaffen.

Die Kirchenbänke leer, aber um die Schulbänke wird gestritten

Im Juni 2022 wurde in Hamburg die erste von insgesamt sechs Schulen geschlossen. Die letzten verbliebenen Viertklässler der Katholischen Grundschule Sankt Marien Eulenstraße erhielten ihre Abschlusszeugnisse – nach über 130 Jahren Lehrbetrieb. In diesem Jahr plant das Erzbistum Hamburg die Schließung weiterer Schulen, darunter die Domschule Sankt Marien, die Katholische Schule Altona, die Franz-von-Assisi-Schule und die Katholische Schule Neugraben. Im Jahr 2025 soll schließlich auch das Niels-Stensen-Gymnasium seine Pforten für immer schließen.

Alle Kritik, alle Proteste seitens der Eltern und prominenter Hamburger Unternehmer liefen ins Leere – die Entscheidung des Bistums blieb bestehen. Als Gründe wurden die angespannte Finanzsituation und die hohen Modernisierungskosten in den Schulen vorgebracht. Ähnliches ereignete sich schon 2020 in Mainz: Auch dort gab es heftigen Widerstand gegen die angekündigte Schließung mehrerer katholischer Schulen. Der Verein „Rettet die Martinusschule“ warf dem Bistum in einem offenen Brief vor, dass „die Kirche damit ihre Zukunft aufgibt.“ Aber spiegeln solche Worte tatsächlich die Überzeugung der Erwachsenen wider? Ist den Eltern daran gelegen, dass der christliche Geist gewahrt bleibt und die Kinder zu gläubigen Menschen erzogen werden?

Die Realität stellt sich so dar: Die Kirchenbänke sind leer, doch um jeden Platz auf der Schulbank wird gestritten. Das klingt widersprüchlich. Aber dieser Widerspruch bezieht sich nicht nur auf die Haltung der Eltern. Münchens Kardinal Reinhard Marx nannte die Schulen einmal „Kernstück kirchlichen Lebens“. Nun hat auch das Bistum Eichstätt vor einigen Wochen verkündet, dass es die Trägerschaft für seine fünf allgemeinbildenden Schulen aufgibt.

Lehren und Lernen sind die Basis christlicher Religionspraxis

Zur Erinnerung: Das frühe Christentum etablierte in seiner Anfangsphase und schließlich dauerhaft Institutionen des Lehrens und Lernens. „Lehrer“ gehörten zu den ersten Berufsgruppen, und bereits im zweiten Jahrhundert gab es den Katechumenat als mehrjähriges Institut. Das Wort bedeutet im Deutschen auch „unterrichten“. Augustinus und Johannes Chrysostomos waren im 4. Jahrhundert die ersten herausragenden Vertreter einer solchen Katechetik.

In der Alten Kirche wurde man sich zunehmend bewusst, dass „Lehren und Lernen“ eine grundlegende Komponente der christlichen Religionspraxis ist. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Kirche in Deutschland auf eine reiche Tradition im Bereich Schulen und Bildung zurückblicken kann. Dies reicht von den Klosterschulen im Mittelalter über die umfassenden Bildungsnetze, die von den großen Schulorden während der Reformation und Gegenreformation geschaffen wurden. Bis hin zu weiteren Entwicklungen nach der Säkularisation.

Und wir leben – nach wie vor – im christlichen Abendland. Die Wertevermittlung auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes steht an konfessionellen Schulen obenan. Häufig ist deren Schulalltag geprägt durch das Schulgebet, durch Schulgottesdienste, Wallfahrten und religiöse Festtage. Das gibt Heranwachsenden einen festen Rahmen in Form von Tages- und Jahresabläufen, den sie so in ihren Familien nicht mehr kennenlernen.

An katholischen Schulen herrscht „Multireligiosität“

Längst sind die Schüler katholischer Schulen gemischten Glaubens. Denn der überwiegende Teil der Lehranstalten steht für „Multireligiosität“. Das war noch vor wenigen Jahrzehnten anders. So lag beispielsweise die Leitung des erzbischöflichen Irmgardis-Gymnasiums in Köln lange Zeit in den Händen von Nonnen. Es wurden nur Mädchen zugelassen – die vorzugsweise katholisch waren. Streng und gesittet ging es zu.

Nachdem die Lehrerschaft „säkularisiert“ und auch Jungs aufgenommen wurden, verwässerte dann ein wenig der religiöse Anspruch. „Mit dem christlichen Profil können wir versuchen, Zugänge zu schaffen. Für viele Kinder, auch katholische, ist das fremd, sie sind nicht mit Religion sozialisiert“, sagte die Schulleiterin 2016 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Vorsichtig ausgedrückt bedeutet das: In einer völlig verweltlichten Gesellschaft wird über konfessionelle Schulen noch versucht, christliche Wertvorstellungen zu vermitteln und aufrechtzuerhalten. Wenn diese Schulen von den Kirchen selbst geschlossen werden, kann dies auf lange Sicht tatsächlich der Untergang des (christlichen) Abendlandes sein.

Bildquelle:

  • Apostolische_Schule: klaus kelle

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