INTERVIEW Publizistin Birgit Kelle: „Nicht alles was ist, ist auch Familie“

Die Publizistin und Vorkämpferin für das Recht der Frauen, ihren Lebensweg selbst so zu gestalten, wie sie es wollen, legt mit ihrem neuen Buch „Muttertier“ den Finger erneut in die Wunde einer völlig verfehlten deutschen Familienpolitik.

Familienministerin Katarina Barley sagte kürzlich in einem  Interview mit dem „Vorwärts“, Feminismus bleibe weiterhin unsere Aufgabe.  Warum  gelten sie als Antifeministin. Wollen Sie etwa „Rückwärts“?

Frau Barley hat im selben Interview auch gesagt, sie kämpfe für die „Anerkennung aller Familienmodelle“,  gleichzeitig spricht sie von „zementierten Rollenbildern“  im Zusammenhang mit der Einverdienerehe, denn die ist natürlich selbstredend  pfui, rechts und unmodern,  oder um es mit den typischen Sprechblasen der SPD zu sagen,  dem müssten „moderne Frauen und Männer einen Feminismus“ entgegensetzen, der „entschieden für mehr Gerechtigkeit und echte Gleichstellung als Grundlage unseres demokratischen Miteinanders einsteht.“ Merke:  Familien, die dies Lebensmodell leben – und wir wollen nicht vergessen, das ist die Mehrheit gerade bei den jungen Familien, solange die Kinder klein sind – sind nicht nur unmodern, sie versündigen sich auch noch an der Demokratie. Es ist also Gefahr in Verzug. Ich nehme an, demnächst werden aus dem Budget des Staatsprogramms „Demokratie leben“ ein paar Millionen frei geschaufelt, um die letzten Hausfrauen im Land endlich auf Spur zu bringen.  Immer wenn moderne Familien-Apologeten von der „Vielfalt der Lebensmodelle“ sprechen, meinen sie alles, außer das Leben der Mehrheit.

Aber es gibt doch eine Vielfalt verschiedener Lebensmodelle, muss man das in einer freien Gesellschaft nicht anerkennen?

Zunächst müssen wir den Wandel der gesellschaftlichen Strukturen zur Kenntnis nehmen. Und dann überlegen, wie wir das überhaupt finden. Nicht alles was ist, ist automatisch gut. Nicht alles was ist, ist Familie. Und nicht alles was ist, ist förderungswürdig im Sinne von Art 6 Grundgesetz, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt.

Sie wollen also lieber einzelne Lebensmodelle diskriminieren und das Lebensmodell Vater-Mutter-Kind privilegieren?

Genau genommen will nicht ich das, sondern unser Grundgesetz. Ich teile diese Ansicht  der Gründerväter dieses Landes lediglich. Wir leben ja in derart irren Zeiten, dass man sich heutzutage verdächtig macht, wenn man noch mit dem Gesetz argumentiert.  Die neue Avantgarde wird wieder um den Rechtsstaat kämpfen müssen. Familienpolitisch heißt das: Wer im Sinne des Grundgesetzes Vater-Mutter-Kind  stützen will, gilt als reaktionär. Wer die Ehe im Sinne des Grundgesetzes als eine Verbindung von nur einem Mann und nur einer Frau sieht, gilt als homophob. Und wer darauf hinweist, dass der § 218 nicht ein Frauenrecht auf Tötung der eigenen Kinder darstellt, sondern ein Strafrechtsparagraph zum Schutz ungeborener Kinder, der gilt als Antifeminist. Sie können das beliebig in anderen Themenfeldern fortsetzen. Ich bin also eine reaktionäre, homophobe Antifeministin. Linke Beweisketten sind so herrlich einfach.

Ist das aber nicht Jammern auf hohem Niveau, wenn Sie beklagen, man ließe die Mütter im Stich? Wir haben Kindergeld, Elterngeld, Frauenbeauftragte wie Sand am Meer, ein Recht auf einen Krippenplatz. Im Vergleich zur Generation ihrer Mütter, müssten die jungen Mütter heute doch nun wirklich dankbar sein.  Und selbst die Mütterrente ist in der großen Koalition angeglichen worden. Allein das kostet uns Milliarden. Ist denn jetzt nicht mal gut.

Gut ist es erst dann, wenn Mütter eine anständige Rente bekommen dafür, dass sie die Rentenzahler von morgen großziehen.  Das einzige, was wir uns nämlich gar nicht leisten können, ist, dass Mütter gar keine Kinder bekommen und ihren Job als erste Erzieherinnen ihrer Kinder  nicht mehr ausüben. Nehmen wir nur mal das Kulturgut Sprache. Hat sich mal jemand überlegt, warum das eigentlich „Muttersprache“ heißt und nicht Kita-Sprache, Vater-Sprache oder Sabine-aus-der-Käfergruppe-Sprache? Genau, weil wir alle, offenbar seit wir Menschheitsgeschichtlich zurück denken, von unseren Müttern das sprechen beigebracht bekommen haben.  Erst seit Mütter diesen Job nicht mehr selbstverständlich tun – aus ganz unterschiedlichen Gründen – brauchen wir plötzlich Sprachförderung in staatlichen Institutionen. Und das übrigens auch für deutsche Kinder.  Wir reden hier vom Sprechen. Von einem Wortschatz. Die Fähigkeit, adäquat zu kommunizieren ist ein elementarer Baustein zu einem stabilen und erfolgreichen Leben. Wir lassen uns aber derzeit von Sozialisten regieren, die der Meinung sind,  es sei fahrlässig und bildungsfern, wenn Kinder dort sind, wo sie hingehören: Bei ihren Eltern.
Nun sind Eltern aber doch häufig tatsächlich nicht da, weil beide berufstätig sind. Hat der Staat hier nicht sogar die Pflicht, sich dann um die Kinder zu kümmern?

Vor allen Dingen hat der Staat die Pflicht, uns als Eltern in Ruhe zu lassen und uns so zu unterstützen, wie wir es gerne hätten. Es ist ja irgendwie aus der Mode gekommen daran zu glauben, dass der Staat für den Bürger da ist und nicht umgekehrt. Im Bereich der Rente hieße das: Wir müssten dafür sorgen, dass Eltern, die Zeit, die sie in die Kinder investieren nicht als Minus, sondern als Plus in der Rente zurück bekommen. Weil die ganze Gesellschaft davon profitiert, wenn wir als Eltern in unsere Kinder investieren. Und deswegen ist es nahezu eine Unverschämtheit, wie man Mütter, aber auch Väter behandelt, die doch erst die Erfüllung des Generationenvertrages garantieren, indem sie in das sogenannte „Humankapital“ der Gesellschaft investieren. Ich will als Mutter keine Almosen aus der Rentenkasse, ich will meinen gerechten Anteil. Und deswegen sind all die Reformvorschläge, die derzeit im Wahlkampf von den unterschiedlichen Parteien auf dem Tisch liegen, in Wahrheit alles nur Doktorspiele an einem kaputten System. Wir brauchen keine Rentenreform, wir brauchen eine Rentenrevolution.
Wir reden immer davon, man müsse sich an die sogenannten „gesellschaftlichen Realitäten“ anpassen. Nun gut, dann müssen wir aber auch aufhören mit einem Rentensystem zu arbeiten, dass auf die Gesellschaft der 60er Jahre zugeschnitten sind. Damals bekamen in der Tat noch Alle Menschen Kinder, wie Adenauer es formulierte. Heute bekommt fast ein Drittel der Menschen keine Kinder mehr. Will aber auch eine Rente und das auch noch von meinen Kindern.  Und deswegen geht es nicht um ein paar Rentenpunkte hier oder ein paar Prozentpunkte da, wir brauchen ein neues System. Eines das belohnt, wenn man in die nächste Kinder-Generation investiert, und nicht eines, das uns als Eltern dafür bestraft.

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Bildquelle:

  • Birgit Kelle (c) Kerstin Pukall 3: kerstin pukall

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