Journalismus muss unabhängig sein, oder er ist kein Journalismus

Liebe Leserinnen und Leser,

Stefan Aust, der Herausgeber der Springer-Tageszeitung „Die Welt“, war mal ein richtig fieser Linker. Nachdem ich über die Jahre zahlreiche seiner Artikel, zwei seiner Bücher und unzählige seiner SPIEGEL-TV-Sendungen gesehen habe, sage ich heute: Er ist vor allem ein brillanter Journalist. Er nimmt seinen Job ernst, er macht sich nicht mit Sachen und Personen gemein, auch wenn er sie persönlich für richtig und gut hält. Das ist es, was einen guten Journalisten ausmacht.

Gefragt nach den Personalien für die zukünftige Bundesregierung nach den Wahlen im September sagt er, egal, was immer wir wählen, „eine grundlegend andere Politik ist nicht zu erwarten.“ Sagt er, einfach so. Ich bin sicher, dass er recht hat, aber die Diagnose für unser Land ist ein totaler Offenbarungseid. Wählt, was Ihr wollt, ihr bekommt auch in Zukunft die gleiche Soße wie unter Kanzlerin Merkel, dem personifizierten Missverständnis.

Schuld an allem – wir haben das wirklich geahnt – sind die Grünen, die bisher noch in der Oppositionsrolle sind, das aber irgendwie falsch verstehen. Sie stützen die Politik der (noch halbwegs) großen Koalition wie jetzt gerade beim Infektionsschutzgesetz, das sie für falsch halten, aber mit durchwinken. Größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag ist die AfD. Die ist rechts, und deshalb tut man so, als gäbe es die gar nicht. Ihnen steht als Fraktion, noch dazu die größte Oppositionsfraktion, ein Platz im Präsidium zu. Aber sie bekommen den nicht. Ihnen steht viel Geld für eine Stiftung und politische Bildungsarbeit zu, aber sie bekommen es nicht, ja, man überlegt Linksaußen, wie man das dauerhaft verhindern könnte. Wenn sie bei AfD-Reden doch bloß das Mikro abstellen könnten, ohne dass es draußen einer merkt…

Was Stefan Aust besonders umtreibt, ist die Alltag gewordene politische Schlagseite der meinungsführenden Medien in Deutschland. Journalismus solle getragen sein von einer „kritischen Betrachtungsweise in alle Richtungen“ sagt er. Davon kann heutzutage keine Rede mehr sein. Framing rund um die Uhr, besonders bei den zwangsfinanzierten Staatssendeanstalten ARD und ZDF. Gerade dort arbeiten viele junge Kollegen, die sich nicht der Wahrheit verpflichtet fühlen, sondern – so sagt Aust – als „Teil einer Bewegung, vielleicht sogar als Aktivisten.“

Und genau das ist der Schlüssel zu allem. Die alternativen Medien müssen stärker werden, sie müssen professioneller werden, sie müssen junge Journalisten vernünftig ausbilden, ihnen sagen und zeigen, was es heißt, Journalist zu sein und dass wir alle Dienstleister für unsere Leser, Zuhörer und Zuschauer sind, und keine Volkserzieher. Ich möchte die Welt nicht abends im Fernsehen von Leuten erklärt bekommen, die keine Ahnung haben, was hier draußen gerade los ist.

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Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.