Karl Eduard von Schnitzler hätte Freude an diesem YouTube

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

1.45 Uhr, wieder am Schreibtisch, einen Überblick über das Nachtgeschehen verschaffen. Bis kurz nach ein Uhr war ich eben noch in der Osternachtsmesse, für die ich die Teilnahmebestätigung erst am Abend zuvor erhalten hatte. 60 Personen waren vom Amt genehmigt worden, die Auferstrehung Jesu nach katholischem Ritus zu feiern, und ich bin froh, mit meiner Familie diese für uns so wichtige Tradition weiterführen zu können – mit Abstand, Maske und so weiter.

Soeben lese ich, dass YouTube meinen Freund und Kollegen Boris Reitschuster, wie ich finde der derzeit wichtigste Journalist in der deutschen Hauptstadt, für sieben Tage gesperrt hat. Warum? Weil er die Querdenker-Demonstration gestern in Stuttgart live begleitet und gestreamt hat. Also konkret: Boris hat Reden, die dort auf offener Bühne gehalten wurden, live ins Internet übertragen. Weil das sein Job ist, und damit sich die Leute, die es interessiert, selbst ein Bild machen können, was da welche Redner so sagen.

YouTube hat Boris mitgeteilt, in den Reden habe es „medizinische Falschinformationen“ gegeben, und deshalb werde sein Kanal mit sagenhaften 216.000 Abonnenten einfach abgeschaltet. Nun frage ich mich als erstes, wer bei YouTube die medizinische Kompetenz hat, das so schnell zu beurteilen. Und wer gibt YouTube das Recht, die freie Meinungsäußerung eines untadeligen und höchstprofessionellen Journalisten zu zensieren? Was YouTube hier macht, ist nichts anderes als DDR Fernsehen West. Wenn die ARD live von der Veranstaltung in Stuttgart gesendet hätte – Phoenix zum Beispiel, die machen das ja manchmal, wenn es um andere Sachen geht, die politisch genehm sind bei den Staatsversorgern – würde dann jetzt die ARD für sieben Tage abgeschaltet? Karl Eduard von Schnitzler hätte an diesem YouTube seine helle Freude. Ich hoffe sehr, dass Boris inzwischen mit klasse Anwälten wie Joachim Steinhöfel oder Ralf Höcker oder beiden telefoniert hat, denn die Gerichte scheinen in diesem Deutschland noch die einzige Institution zu sein, die sich überhaupt noch für unsere Gesetze und Grundrechte interessieren.

Spannend war gestern tagsüber auch unser regelmäßiger Blick auf die Homepage der CDU-Bundeszentrale in Berlin, des Konrad-Adenauer-Hauses. Denn natürlich wussten wir, wer am 3. April 1930 in Ludwigshafen am Rhein das Licht der Welt erblickte. Es war der spätere Historiker und Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl. Und weil wir das wussten, hatten wir im Blick, ob die entkernte Merkel-Union ihren einstigen Patriarchen und einen von zwei Kanzlern, die bis ans Ende der Geschichte in den deutschen Geschichtbüchern verewigt sein wird, auch wenigstens mal knapp würdigen würde. Denn Kohl und Adenauer haben für unser Land etwas geleistet, sie beide haben auf ihre Art unserem Land gedient – anders als die jetzige Amtsinhaberin, die allerdings auch in den Geschichtsbüchern stehen wird. Einfach, weil sie die erste Frau in diesem Amt ist. Sonst fällt mir nichts ein, warum man diese Frau würdigen sollte. Buch zu, schnell vergessem.

Am späteren Nachmittag begannen wir in der Redaktion bereits zu feixen und uns auf unsere Kommentierung über die schäbige Art des Umgangs mit dem Kanzler der Deutschen Einheit zu freuen. Doch irgendwann bekamen sie doch noch die Kurve und veröffentlichten eine empathielose „Würdigung“. „Wahrscheinlich ist irgendeine Sekretärin auf TikTok zufällig auf Kohls Geburtstag gestoßen und hat an die Pressestelle eine Mail geschickt: „Doris, müssen wir nicht dazu irgendwas machen?“ Sie glauben gar nicht, wie ich mich danach sehne, dass Frau Merkel aus dem Kanzleramt verschwindet und damit hoffentlich auch ihr Einfluss auf diese Partei, die mal eine Volkspartei war.

Feiern Sie Ostern mit Ihren Lieben – gute Zeit, trotz allem!

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.