LONDON – Der Londoner Central Criminal Court (Old Bailey) hat zwei Frauen und einen Mann aus Bulgarien wegen Spionageaktivitäten in Großbritannien und anderen europäischen Ländern verurteilt. Die Agenten im Alter zwischen 33 und 39 Jahren arbeiteten danach für ein Untergrundnetzwerk des ehemaligen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek im Auftrag russischer Geheeimdienste. Den drei Bulgaren drohen jetzt Haftstrafen von bis zu 14 Jahren. Das Strafmaß wird in wenigen Wochen verkündet.
Die Ermittler hatten eine ungewöhnliche Fülle an Beweisen gegen das Trio zusammengetragen, wobei es auch um eine „romantische Dreiecksbeziehung“ gegangen sei.
Dazu wurde die Frau als sogenannte „Honigfalle“ auf einen russlandkritischen Journalisten angesetzt. Das Gericht geht davon aus, dass in diesem und anderen Fällen auch Menschenleben in Gefahr waren.
So wie beim Nowitschok-Anschlag 2018 in Salisbury, als russische Agenten den Überläufer Sergej Skripal mit einem Nervenkampfstoff vergifteten.
Das bulgarische Trio war auch in Deutschland unterwegs, um eine Luftwaffenbasis der NATO und eine Botschaft auszuspähen. Die Agenten erhielten für ihren Verrat erhebliche Geldbeträge und waren neben London auch in Stuttgart, Valencia, Wien und auf dem Balkan in Montenegro aktiv. SKY NEWS berichtete, dass bei der Festnahme 495 SIM-Karten, 221 Telefone, 258 Festplatten und 11 Drohnen sichergestellt wurden.
Nach dem Ex-Wirecard-Manager Marsalek wird weltweit gesucht, nachdem er sich nach dem Zusammenbruch des früheren DAX-Konzerns mit 1,9 Milliarden Euro nach Russland abgesetzt haben soll. Danach hatten Geheimdienste in Österreich und Deutschland schnell herausgefunden, dass der gebürtige Wiener bereits seit Jahren engen Kontakt zum russischen Geheimdienst FSB pflegte. Marsalek lebt heute in Russland, so wie mit großer Sicherheit auch der frühere Chef des Handelskonzerns Tengelmann, Karl-Erivan Haub.
Der aktuelle Fall wirft erneut ein Schlaglicht auf die Aktivitäten russischer Geheimdienste in Deutschland und Europa. Dabei geht es weniger um Fotos von Bundeswehrkasernen oder die Beschaffung von Geheimdokumenten aus dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages, für das man sich einzelne Abgeordnete eingekauft hat.
Die RTL-Journalistin Liv von Boetticher hat in einer aufwändigen Fernsehdokumentation und einem wirklich lesenswerte Buch mit dem Titel „Die Akte Tengelmann“ akribisch zusammengetragen, dass inzwischen 31.000 Unternehmen in den Staaten der Europäischen Union (EU) russische Beteiligungen haben. 31.000 – im Falle eines großen offenen Konfliktes mit Moskau ein gewaltiges wirtschaftliches Zerstörungspotential gegen unsere Volkswirtschaften.
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