ESTHER VON KROSIGK
AUGSBURG- Gott erschuf den Menschen und der Mensch erschuf die Maschine. Und nun macht sich die Maschine Gedanken zu Gott. Aber kann sie das? Ist Künstliche Intelligenz imstande, intelligente Aussagen zum Schöpfer zu machen?
Geistliche scheinen daran keinen Zweifel zu haben, denn immer häufiger nutzen Pfarrer landauf landab die KI und lassen ihre Predigten von ChatGPT schreiben. So auch Pfarrer Bernhard Piendl, der Mitte Mai eine Sonntagspredigt im Regensburger Dom hielt, die erstmals von KI verfasst worden war. Zumindest in Teilen, doch über das Resultat zeigte sich der Prälat erstaunt. Der Chatbot hatte sehr gute Arbeit geleistet.
Die Gemeinde bemerkt den Unterschied zunächst nicht
Dabei war die Aufgabe an das Programm gar nicht so einfach – es ging um einen Abschnitt aus dem Johannesevangelium, in dem sich Jesus von seinen Jüngern verabschiedet und das Kommen des Heiligen Geistes ankündigt. Aus diesen Vorgaben stellte ChatGPT innerhalb von Sekunden einen Text zusammen, der als Predigt verwendet werden konnte. „Diese nicht einfachen Sätze hat die KI klar und deutlich erklärt,“ äußerte Prälat Piendl gegenüber BR24. Obgleich transzendente Begriffe wie „Geist der Wahrheit“ für die Maschine kaum in einen weltlichen Zusammenhang einzuordnen sein dürften. Wie auch immer – die Gläubigen im Regensburger Dom haben den Unterschied zu einer Predigt aus menschlicher Feder nicht bemerkt. Sie zeigten sich äußerst überrascht, als der Pfarrer das Geheimnis lüftete und den wahren Ursprung seines Textes eingestand.
KI als „Versuchung“, um sich die pastorale Arbeit zu vereinfachen
Für Prälat Piendl war der Einsatz von KI ein Test, ob sich der Chatbot tatsächlich als Hilfsmittel für spirituelle Themen bewährt. Test bestanden – doch wie geht es nun weiter? Der Geistliche spricht diesbezüglich von einer „Versuchung“. Schließlich ist es seine Aufgabe als Gottesmann, die Heilige Schrift auszulegen und die Arbeit nicht an eine Maschine abzugeben. Andererseits: Warum sollte er sich nicht von einem digitalen persönlichen Assistenten unterstützen lassen, der bereits viele andere Bereiche wie Medizin oder Werbung bereichert?
Trotz Euphorie unter Geistlichen angesichts von ChatGPT, scheint die Theologie ein spezielles Feld zu sein. Ob die KI hier letztlich so viel leisten kann, wird angezweifelt. Wolfgang Beck, Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Jesuitenhochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main, äußerte bei domradio.de, dass er in künstlichen Predigten hochproblematische Aussagen gefunden habe. Denn die KI habe wohl auf Texte mit einem veralteten Religions- und Kirchenbild zurückgegriffen.
Nur ein Mensch kann anderen Menschen das Göttliche nahebringen
Überhaupt: Welche Bibel nutzt der Chatbot? Wo klaubt er sich seine Informationen zusammen, die sich für Gottesdienstbesucher zwar schlüssig anhören mögen, aber theologisch zweifelhaft sein können? Ein weiterer Aspekt ist: Gott ist die Liebe und eine gute Kanzelrede sollte seelenvoll sein, die Zuhörer berühren und zu Herzen gehen. Idealerweise zeigen die Worte des Predigers eine andere, höhere Dimension auf und bringen das Göttliche den Zuhörern näher. Das vermag nur ein Mensch, der auf Gott hin ausgerichtet ist. Seine Erfahrungen, sein Wissen, seine Liebe zu Christus lässt er in seinen Vortrag fließen und zieht auf diese Weise die anderen Menschen in seine Gottesbeziehung mit ein.
Der evangelische Pfarrer Stephan Seidelmann von der Evangelischen Kirchengemeinde München-Freimann hat vor einigen Monaten ebenfalls per Chatbot eine Predigt konzipiert. In einem Interview sagte er, dass die Gemeinde seine Worte als „unemotional“ oder „uninspiriert“ empfand. Die einhellige Meinung im Anschluss an den Gottesdienst war: „Da fehlte völlig die Wärme.“
Besser eine inhaltsvolle KI-Predigt, als geistloses Menschenwerk
Neben der emotionalen Komponente einer Predigt, die Gläubige herausfordert, wachrüttelt, begeistert und vielleicht auch zu einem neuen spirituellen Empfinden anregt, darf der soziale Hintergrund der Zuhörer nicht übersehen werden. In der Berliner Innenstadt muss anders gepredigt werden als auf dem bayerischen Dorf. All diesen verschiedenen Anforderungen kann die KI – noch – nicht nachkommen. Pfarrer Seidelmann hat sich daher entschieden, seine Predigten künftig selbst zu schreiben. Seine Argumentation lautet: „Es fehlt jede Emotion, auch jede Authentizität. Das Besondere einer Predigt ist ja, dass sie für die Menschen vor Ort geschrieben worden ist.“
Allerdings ist anzunehmen, dass eine maschinell erstellte Predigt im Durchschnitt schnellere und teilweise bessere Ergebnisse liefert als ein Menschenwerk, das häufig von der Lebenssituation, von Erfahrungen und Stimmungen des Schreibers abhängig ist. Nicht wenige Kanzelreden in unserem Lande haben die Aussagekraft von Lorem-Ipsum-Texten. Ein wenig mehr an Intelligenz – wenn auch künstlicher – kann da nicht schaden.
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- Künstliche_intellgenz_2: pixabay