TheGermanZ-INTERVIEW MIT JENS SPAHN: „Ich freue mich über jeden Konservativen, der in der CDU die Debatte voran bringt“

Der aus Westfalen stammende Staatssekretär Jens Spahn gehört zu den CDU-Politikern, auf den viele Parteimitglieder mit Blick auf die Zukunft ihrer Partei besonders schauen. Im Interview mit TheGermanZ sagt er, was ihn politisch derzeit besonders bewegt.

Herr Spahn, Sie wollen strengere Regeln für die hier lebenden Muslime in einem Islam-Gesetz festschreiben. Was sind die Kernpunkte ihrer Überlegungen?

Wir müssen unser Verhältnis zum Islam definieren, übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Das ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe auch für unsere Nachbarländer. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, wie sich die Moscheen hierzulande finanzieren sollen. Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass das Geld in der Regel aus der Türkei oder Saudi-Arabien überwiesen wird.

Diese Finanzierung aus dem Ausland führt dazu, dass Moscheen nicht nur Räume für die Ausübung des Glaubens sind. Über die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland wird hier auch Politik gemacht, wie wir insbesondere bei Ditib sehen. Das können wir nicht akzeptieren. In Deutschland lebende Muslime sollen hier ihren Glauben leben können, aber eben in unserer Gesellschaft und nicht daneben, wie das jetzt zu oft der Fall ist.

Richtig gemachte Integration heißt, die Moscheegemeinden unabhängig zu machen vom Einfluss aus dem Ausland und zum Beispiel die Imame hier auszubilden. Dafür ist natürlich auch mehr Transparenz und Bereitschaft zur Kooperation von Seiten der Moscheen nötig.

Ein Islamgesetz ist ein Angebot an alle hier lebenden Muslime. Dort würden nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte formuliert, wie etwa Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen. Es gibt nicht „den Islam“ mit klaren Strukturen und Ansprechpartnern, wie das etwa bei den christlichen Kirchen der Fall ist. Gerade deshalb müssen wir uns fragen, welchen Beitrag wir für die Entwicklung eines europäischen oder westlichen Islam leisten können. Die bisherigen Ansätze jedenfalls haben das Nebeneinander gestärkt und nicht das Miteinander gefördert.

Normalerweise hört man vor Gesetzesvorhaben Experten an, in diesem Fall wären es wohl die Muslim-Verbände. Aber können die wirklich für alle Muslime im Lande sprechen?

Das ist ein Teil des Problems: Die Muslimverbände repräsentieren nur eine Minderheit der Muslime in Deutschland. Und gerade für die liberalen und eher säkulären Muslime spricht niemand. Dabei sind es genau die, die oftmals voll integriert und nicht selten als Unternehmer oder in ihrem sozialen Umfeld Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen.

Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir nicht über viele Jahre auf die falschen Gesprächspartner gesetzt haben. Mit Verbänden, die vornehmlich den konservativ-reaktionären Teil der muslimischen Gemeinschaft wiederspiegeln, können Sie schwer Integration gestalten. Da brauchen wir neue Strukturen und neue Ansprechpartner.

In den vergangenen Tagen hatten Sie mächtig Ärger in den sozialen Netzwerken, weil Sie behauptet haben, wenn man deutsche Soldaten nach Afghanistan schicken kann, dann kann man auch Afghanen dorthin abschieben. Würden Sie das heute noch so formulieren?

Auch wenn das vielleicht zugespitzt formuliert war, im Kern bleibt die Aussage richtig. Unsere deutschen Soldaten sind am Hindukusch nicht mehr in einem Kriegseinsatz, sondern sie bilden afghanische Sicherheitskräfte aus. Man muss doch auch anerkennen, dass es trotz der immer noch hohen Zahl ziviler Opfer zahlreiche Afghanen aus den umliegenden Ländern wieder in ihr Land zurückzieht. Es gibt jedenfalls große Teile Afghanistans, die ausreichend sicher sind.

Wenn Sie allerdings die Situation in Deutschland als Maßstab für Sicherheit und Normalität nehmen, dann können Sie in die halbe Welt nicht mehr abschieben. Jeder Einzelfall wird hier sauber in langen Verfahren geprüft…

…und dann abgelehnt, ohne dass abgeschoben wird…

Das ist eines unserer größten Probleme. 90 Prozent der Deutschen sind bereit, Flüchtlingen zu helfen. Aber sie wollen nicht, dass ihre Hilfsbereitschaft missbraucht wird. Inzwischen ist ja vieles bei der Organisation der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen deutlich besser geworden. Aber wir alle haben unterschätzt, wie stark soziale Netzwerke und Handys den Wunsch, nach Deutschland und Europa zu gelangen, vergrößert haben.

Insbesondere sind unter den Menschen, die aus Nordafrika zu uns kommen, viele Migranten und sehr wenige Flüchtlinge. Die haben aber kaum eine Bleibeperspektive in Deutschland. Das sollten wir ihnen auch ehrlich sagen.

Die CDU hat nach langer Zeit wieder einmal eine Landtagswahl klar gewonnen – vor einer Woche im Saarland. Welche Schlüsse lassen sich aus Ihrer Sicht daraus ziehen?

Erst einmal zeigt es, dass für die CDU bei Wahlen auch über 40 Prozent drin sind, wenn man erfolgreiche Politik macht. Das ist ja nicht nur der Amtsbonus, den hat Frau Kraft in Nordrhein-Westfalen auch. Dem Saarland geht es anders als NRW gut, das ist die Leistung von Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie und ihr Innenminister Klaus Bouillon haben beim Management der Flüchtlingsfrage vieles richtig gemacht. Dazu gehören auch von Anfang klare Ansagen, was wir hier von den Neubürgern erwarten. Das zahlt sich dann aus bei einer Wahl.

Viele Mitglieder und Wähler der CDU halten die Öffnung der deutschen Grenzen Ende 2015 für einen Massenzuzug aus dem islamischen Kulturkreis noch immer für einen gravierenden Fehler der Regierung Merkel. Sie auch?

In der damaligen konkreten Situation war es die richtige Entscheidung. Aber es war auch eine Ausnahmesituation, die sich so nicht wiederholen darf. Jeder Flüchtling auf dem Weg wusste doch dank Internet, wenn er eine griechische Insel erreicht, ist er in einer Woche in Deutschland oder Schweden. Das ist heute nicht mehr so.

Überall in der CDU gründen sich in diesen Wochen „Konservative Kreise“, die ein stärkeres Gewicht des Konservativen in der CDU fordern. Die Parteiführung reagiert mit mildem Spott und ignoriert diesen Aufbruch. Warum redet man nicht einfach mal mit denen, statt sie rechts liegen zu lassen?

Viele der Punkte, die beim Treffen jüngst in Schwetzingen diskutiert wurden, stehen heute schon in unserem Programm. Darüber hinaus gibt es Themen, über die man in der CDU offen diskutieren kann. Ich freue mich über jeden, auch jeden Konservativen, der innerhalb der CDU die inhaltliche Debatte voranbringt. Das ist allemal besser als sich mit denen gemein zu machen, die die Gesellschaft mit dumpfen Parolen spalten wollen. Die Volkspartei CDU hält ein breites Meinungsspektrum locker aus. Aber wir alle dürfen dabei auch nicht vergessen: Der gemeinsame Gegner steht links und nicht in den eigenen Reihen.

Das Interview führte Klaus Kelle.

Bildquelle:

  • Jens_Spahn_CDU: Laurence Chaperon

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.