von THOMAS PAULWITZ
BERLIN – Das generische Maskulinum stirbt. Das behauptet zumindest die Sprachwissenschaftlerin Heidrun Kämper: „Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann wird das generische Maskulinum eine historische Form werden“, sagte sie einmal dem Deutschlandfunk Kultur. Sie meint also, dass man zum Beispiel nur von einem Mann spricht, wenn man zum Bäcker geht. „Ich gehe zum Bäcker und zur Bäckerin“ oder „Ich gehe zum*r Bäcker*in“ – mit gesprochener Genderpause –; das wäre dann wohl die korrekte Ausdrucksweise, die niemanden mehr diskriminiert – mit Ausnahme des Zuhörers (der*des Zuhörer*s*in?).
Mit ihrer Meinung steht Kämper, die nicht nur am steuerfinanzierten Mannheimer Institut für Deutsche Sprache arbeitet, sondern auch für die SPD im Stadtrat sitzt, nicht alleine. Auch der Duden will das generische Maskulinum aus seinem Rechtschreibwörterbuch verbannen. Nun haben kürzlich ausgerechnet knallharte Verfechter der Gendersprache gezeigt, dass diese überholt geglaubte Form quicklebendig ist: eine „Audianer_in“ in einem Gespräch mit der Tageszeitung „Die Welt“ und die Grünen in ihrem Sondierungspapier für die Ampel-Koalition.
Wo bleiben die „Kund_innen“ der „Audianer_innen“?
Antonia Wadé (mit Akzent auf dem „e“), bei Audi zuständig für Diversität, brachte gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ den großartigen Satz zustande: „In der schriftlichen externen Kommunikation mit Kunden und Partnern gendern wir konsequent.“ Augenblick: „mit Kunden“? „mit Partnern“? Sollte denn nicht der Unterstrich in die Kommunikation bei Audi einziehen? Sollte nicht von „Audianer_innen“ die Rede sein? Wo bleiben die „Kund_innen“?
Weil Wadé weiß, dass man diese Sprachzucht in Wirklichkeit nicht durchhalten kann, schiebt sie gleich eine salvatorische Klausel hinterher: „Es kann sein, dass mal eine Formulierung durchrutscht, aber das ist eher die Ausnahme.“ Doch im Gespräch mit der „Welt“ rutscht ihr ständig etwas durch: Von „Kundenregistrierungen“ bis „Benutzeroberflächen“ reicht der Triumphzug des generischen Maskulinums in ihren Antworten. „Viele Mitarbeitende haben wir zum Umgang mit gendersensibler Sprache bereits geschult“, sagt sie. Außer Spesen nichts gewesen?
Auf die Frage nach den Kosten weicht Wadé aus: Es gehe nicht um eine „monetäre Bewertung“, gibt sie großspurig an, das sei eine „Haltungsfrage“. Audi setzt mit diesen Schulungen offenbar nur auf die Entwicklung eines neuen Geldverbrennungsmotors: „Sprung in der Schüssel“ statt „Vorsprung durch Technik“. So will Audi künftig seine Kunden nicht mehr höflich mit „Herr“ oder „Frau“ anreden, sondern nur noch mit Vor- und Nachnamen.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander
Wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderliegen, zeigt sich auch beim Aufruf der Seite „audi.de“. Dort wird der Besucher in großen Lettern mit den Worten begrüßt „Jetzt bei Ihrem Audi Partner“. – „Ja haben Sie denn keine Audi-Partnerin?“ möchte man der Diversitäts-Beauftragten entgegenrufen. Doch das ist keine Ausrutscherin. Auch in den Rubriken grüßt das generische Maskulinum: „Händlersuche“, „Geschäftskunden“. Diese grammatische Errungenschaft ist eben einfach viel praktischer.
Das haben sich sicher auch die Verfasser des Sondierungspapiers von SPD, Grünen und FDP gedacht. Es verzichtet auf den Genderstern und nutzt oftmals das generische Maskulinum: „Es geht um unser Land, nicht um die Profilierung einzelner Akteure“, lesen wir und wissen, dass „Akteure“ sowohl Männer als auch Frauen sein können. „Wir sehen keine kleinen und großen Parteien, sondern gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe.“ Es ist jedem klar, dass zum Beispiel auch eine Frau wie Annalena Baerbock zu den „Partnern“ gehört.
Freilich kommt das Papier nicht ohne Doppelformen wie „Bürgerinnen und Bürger“ aus, aber aus dem „Arztbesuch“ wird kein „Ärzt*inbesuch“, aus dem „Bürgerdialog“ kein „Bürger*innendialog“. Den „Bauherren“ sind keine „Bauherrinnen“ oder „Baudamen“ zugesellt, und die „Arbeitgeber“ kommen ebenfalls ohne Sexualisierung aus. Hat sich die FDP bei den Formulierungen durchgesetzt oder ist der Mangel an Genderei nur der knappen Zeit geschuldet? Das ist schwer zu sagen. Da sind wir doch sehr auf den Koalitionsvertrag gespannt.
Das generische Maskulinum ist viel praktischer
Im Juni dieses Jahres schrieb die Nachrichtenagentur dpa in einer Pressemitteilung: „Das generische Maskulinum wird in kompakter Nachrichtensprache noch vielfach verwendet, soll aber schrittweise zurückgedrängt werden. Ob die Nachrichtenagenturen in einigen Jahren ganz darauf verzichten können, hängt von der weiteren Entwicklung der Sprache ab.“ Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen versuchen diese Entwicklung sprachpolitisch zu beeinflussen und haben sich zu „diskriminierungssensiblen Formulierungen“ verpflichtet, vorerst noch ohne Genderstern.
Wenn aber selbst die Verfechter der Gendersprache nicht auf das generische Maskulinum verzichten können, weil es einfach viel praktischer ist, warum sollte sich dann der Bürger ihrem Sprachdiktat unterwerfen?
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