Wie die AfD die CDU am Nasenring durch die Manege zieht

von KLAUS KELLE
Bei der Bundestagswahl 2013 errang das „bürgerliche Lager“ zwei Millionen Stimmen mehr als das „progressive Lager“. So will ich es mal vorsichtig umschreiben. Und wenn Sie mir jetzt Mails schicken, dass man CDU/CSU, FDP und AfD nicht mathematisch betrachten kann, sondern inhaltlich betrachten muss, dann weiß ich das.
Dennoch haben die Wähler von Union, Liberalen und Konservativen eine Gemeinsamkeit: sie wollen auf gar keinen Fall, dass unser Land von Roten, Dunkelroten und Grünen regiert werden. Und da ist  2013 bis heute das Dilemma, dass die klare Mehrheit der Wähler nicht von diversen Roten und Grünen regiert werden wollen, aber da FDP und AfD an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, eine links-grüne Mehrheit im Deutschen Bundestag sitzt.
Wahlrecht ist nun einmal Wahlrecht, doch sollte sich das im kommenden Jahr ähnlich wiederholen, nur dass diesmal FDP und AfD ins Hohe Haus einziehen, dann wird eine Diskussion beginnen, die insbesondere die CDU in die Bredouille bringt. In den 80er Jahren, als mit den Republikanern erstmals eine politische Alternative rechts der Union die Bühne betrat, war das vergleichsweise einfach. Die CDU hungerte die Reps einfach aus. Keine Absprachen, keine gemeinsamen Anträge und Abstimmungen, nicht mal ein Handschlag auf den Parlamentsfluren. Die Republikaner sind wieder weg. Das wird sich dieses Mal nicht wiederholen. Die AfD ist qua Wählervotum eine Realität in der politischen Landschaft Deutschlands geworden. Sie ist da, schon jetzt in der Mehrheit der Landtage und im EU-Parlament, wenn auch durch die bei rechtskonservativen Neugründungen geradezu üblichen Streitigkeiten und Spaltungen dezimiert.
Die Strategen in den Berliner Parteizentralen wären gut beraten, schon jetzt ein wenig darüber nachzudenken, was sie nach der Bundestagswahl tun wollen. Nochmal: mathematisch ist eine „bürgerliche Mehrheit“ denkbar. Aber eine politische nicht, weil egal, wie das Wahlergebnis aussehen wird, weder die Union noch die FDP irgendetwas tun werden, das auch nur nach Zusammenarbeit mit der AfD aussehen könnte. In den sozialen Netzwerken liest man von AfD-Freunden schon im Überschwang der Gefühle, wie man Merkel in Koalitionsverhandlungen vor sich hertreiben werde. Weil „die kommt dann gar nicht mehr darum herum, mit uns zu koalieren“. Blütenträume, zumal Frau Merkel wahrscheinlich eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Regierungsbildung haben wird. Und das ganz ohne die AfD…
Aber durch Aussitzen wird sich das Problem dieses Mal sicher nicht lösen. Wie umgehen mit der ungeliebten neuen Kraft im Lande? Bei Debatten rausgehen? Redner mit Missachtung strafen? Das sind Kinderspielchen, die niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Die Situation ist grotesk, wie ein aktuelles Beispiel aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt vorgestern belegt. Noch auf dem jüngsten Bundesparteitag der CDU in Essen hatte Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel leidenschaftlich, also so etwas leidenschaftlich, für ein Verbot der Burkha gestritten. Der Fraktionsvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, hatte sichtbaren Spaß daran, den Antrag für ein Verbot der Gesischtsverschleierung ins Parlament einzubringen. Unter Gelächter und Beifall seiner Fraktion rief er den Unions-Abgeordneten zu: „Jetzt können Sie ja ihrer Parteifreundin folgen und das Verbot durchsetzen.“ Oder, wie Poggenburg das nennt: „…sich etwas aus dem linksradikalen Koalitions-Korsett zu zwängen“.
Die CDU eierte herum, dass es Mitleid erregte. Aber was sollten sie machen als Koalitionspartner von SPD und Grünen? Die sind strikt dagegen, und einem Antrag der AfD zustimmen? Poggenburg legte nach: „Ist Ihnen bewußt, dass Sie ihre Parteilinie nicht vertreten?“ Die „Mitteldeutsche Zeitung“ berichtet über diese Stelle der Debatte: „Auf den Bänken der AfD herrscht ausgelassene Heiterkeit.“

Das wird nicht zum letzten Mal passiert sein. Die CDU und auch andere Parteien sind gut beraten, sich etwas einfallen zu lassen. Sonst werden sie von nun an immer wieder bei solchen Debatten am Nasenring durch die Manege gezogen…

Bildquelle:

  • Zirkus_Manege: pixabay

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.