WIEN – Nach der pandemiebedingten Pause finden in Wien wieder Bälle statt. Die Rudolfina Redoute nimmt hier seit jeher eine herausragende Stellung ein: Sie ist, neben ihrer Eleganz und ihrem besonderen Farbenreichtum, auch ein Netzwerkpunkt in der katholischen und konservativen Gesellschaft Mitteleuropas.
Wer an Wien denkt, dem kommen üblicherweise mit Kultur und Lebensart verbundene Begriffe in den Sinn – etwa Speis und Trank, das reichhaltige imperiale Erbe der Habsburger, die prägende Architektur der Ringstraße, unzählige Museen und vieles mehr. Besonders häufig fällt der Begriff „Walzer“ – für viele der „Tanz der Tänze“, Inbegriff der Ballkultur und so sehr mit Wien verbunden, dass auch Austrian Airlines ihren Passagieren vor Starts und nach Landungen standardmäßig den Donauwalzer vorspielt. Bälle waren in den vergangenen zweieinhalb Jahren allerdings leider Mangelware – die Covid-Pandemie machte es unmöglich.
Doch nun beginnt sich das Ball-Leben an der Donau wieder zu entfalten
Viele der Traditionsbälle – die hochrangigsten sind im sogenannten „Wiener Nobelballkomittee“ vertreten – sind 2023 wieder besuchbar. Das gilt auch für die berühmte „Rudolfina Redoute“, die eine besondere Stellung unter Wiens Bällen einnimmt: Als Reminiszenz an frühere Zeiten ist sie der letzte verbliebene Maskenball Wiens. Dazu später mehr.
Für das konservative Lager Mitteleuropas ist die Nachricht, dass die Rudolfina Redoute wieder stattfinden kann, eine besonders erfreuliche Nachricht, gilt sie doch seit Jahrzehnten als Netzwerk- und Kristallisationspunkt eben dieses Lagers auf dem gesellschaftlichen Parkett. In der Vergangenheit zählten etwa Bundeskanzler wie Sebastian Kurz oder Josef Klaus, der spätere Bundespräsident Thomas Klestil, Innenstadt-Vorsteher Markus Figl oder der Europaparlamentarier Lukas Mandl ebenso zu ihren Besuchern wie die Publizistin Eva Demmerle, der Herzogenburger Stiftsprobst Petrus Stockinger oder Missio Austria-Generaldirektor P. Karl Wallner. Der österreichische Nationalpräsident Wolfgang Sobotka griff 2019 beim Eröffnungswalzer selbst zum Dirigentenstab.
Dabei ist die Redoute, wie sie in Wien liebevoll genannt wird, in gewisser Hinsicht selbst eine Liebhaberei: Seit 1899 wird sie von der katholischen Studentenverbindung Rudolfina (ÖCV) veranstaltet, das gesamte Organisationskommittee unter Leitung von Oliver Hödl gehört der Verbindung an und arbeitet rein ehrenamtlich. Das hilft, Kosten zu senken – mit einem ermäßigten Kartenpreis von 50 Euro (Vollpreis: 120 Euro) zählt sie zu den günstigsten Bällen Wiens, und das, obwohl als Veranstaltungsort traditionsgemäß alle Säle der Wiener Hofburg zum Einsatz gelangen.
Bereits vor dem Ball bietet die Rudolfina ihren Gästen ein reichhaltiges Rahmenprogramm
In den Tagen vor dem Höhepunkt selbst können etwa ein Quadrillekurs und eine Stadtführung durch die historische Innenstadt gebucht werden. Für Angehörige von Studentenverbindungen findet am Samstag vor der Redoute seit Jahrzehnten die traditionelle „Europakneipe“ im stimmungsvollen Kellergewölbe der Rudolfina statt. Sie trägt ihren Namen auch deshalb, weil der Besucherkreis seit jeher weit über die Grenzen Österreichs hinausweicht und so Gäste aus Verbindungen aus Österreich, Deutschland, Belgien, der Schweiz, Italien, Frankreich, Tschechien oder Polen angetroffen werden können. Um internationale Kontakte zu knüpfen, eignen sich diese Punkte besonders gut. Den spirituellen Höhepunkt stellt eine Heilige Messe in der Hofburgkapelle dar, die Domprobst Ernst Pucher (selbst Angehöriger der Rudolfina) eigens zelebriert.
Der Ball selbst hat alles, was ein traditioneller Wiener Nobelball an Programm bieten muss. Die Eröffnung wird durch ein Tanzkommittee dargeboten, das ausschließlich aus aktiven Herren der Rudolfina und ihren Tanzpartnerinnen besteht. Die Herren im Frack, die Damen im weißen Ballkleid, dazu kommen die Farben der Rudolfina (gold-weiß-rot, eine Verschmelzung der österreichischen mit der vatikanischen Flagge). Nach den berühmten Worten „Alles Walzer“ spielt das Orchester den ersten Publikumswalzer, danach wird bis in die Morgenstunden weitergetanzt. Dabei kommen in den unterschiedlichen Sälen diverse Stile zum Einsatz, von klassisch über lateinamerikanisch bis hin zur zeitgenössischen Disco.
Einen besonderen Höhepunkt bietet die Mitternachtsquadrille im Großen Ballsaal
Hierbei kommt den Masken wieder eine besondere Bedeutung zu. Die Masken bedecken die Augenpartie und werden von den Damen getragen. Dadurch entsteht die besondere Situation der „Damenwahl“: Im Unterschied zu anderen Bällen, wo üblicherweise der Herr die Dame zum Tanz auffordert, kann bei einer Redoute die maskierte Dame dieses Privileg für sich beanspruchen – und zwar bis Mitternacht exklusiv. Bei der Mitternachtsquadrille erfolgt mit der Anweisung „Masken herunter“ die Demaskierung, danach herrscht Damen- und Herrenwahl. Viele ältere Besucher können sich erinnern, in diesem Moment ihrer späteren Ehefrau erstmals ins Gesicht geschaut zu haben.
Typisch für Wiener Nobelbälle ist auch die sogenannte Damenspende. Sie ist ein Geschenk, dass die Damen vom Ballveranstalter erhalten. Hierfür kooperiert die Rudolfina mit den Päpstliche Missionswerken in Österreich (Missio Austria). „Daher können wir garantieren, dass die Damenspende handgefertigt wurde und dass sie einer Familie in Indien dabei geholfen hat, ihren Lebensunterhalt zu verdienen“, erzählt Cheforganisator Oliver Hödl. Für ihn ist es eine „Selbstverständlichkeit, dass wir gerade im Rahmen eines Balles auch an jene denken, die es nicht so gut haben wie wir“. Die Kooperation mit Missio Austria stellt sicher, dass unter fairen Bedingungen produziert wurde und dass der von Rudolfina bezahlte Preis wirklich den Familien zugutekommt. Die Damenspende, die noch viele Jahre als Erinnerung an einen schönen Abend fungiert, hat so eine besondere Bedeutung, die dem katholischen Geist der Rudolfina entspricht.
Der Vorverkauf läuft seit 11.11.2022, dem traditionellen Beginn der Wiener Faschingssaison, online und auch vor Ort in den Räumlichkeiten der Rudolfina. Ebendort findet nach Ballende auch ein Sektfrühstück statt, so dass der Ball, der am Faschingmontag stattfindet, auch tatsächlich den Schluss- und Höhepunkt des Faschings darstellt. Das diesjährige Motto „Glücklich ist, wer vergisst“ ist der Operette „Die Fledermaus“ entnommen und kann auch als Abschiedswinken an die unsägliche Zeit der Corona-Pandemie verstanden werden. In diesem Sinne: „Alles Walzer“.
Karten und Informationen unter www.rudolfina-redoute.at
Faschingmontag, 20.2.2023, in allen Sälen der Wiener Hofburg
Bildquelle:
- Ball_Rudolfina_Redoute: robin consult