von DR. PATRICK PETERS
Die Öko-Lobby-Gesellschaft Deutsche Umwelthilfe (ein Verein mit rund 240 (!) Mitgliedern, der mehr als 80 (!) hauptamtliche Mitglieder beschäftigt) hat vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart einen großen Sieg errungen: Die Luftverschmutzung muss notfalls auch mit Fahrverboten für ältere Diesel-Fahrzeuge (ganzjährig und umfassend, wohlgemerkt!) bekämpft werden, das Gericht verlangt schnellstmögliche Maßnahmen für eine bessere Luftreinhaltung. Der Nachrüstplan reiche nicht aus, hieß es. Das Land Baden-Württemberg hatte versucht, durch Nachrüstungen vieler älterer Motoren solche Verbote zu verhindern.
„Das Verkehrsverbot verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil der Gesundheitsschutz höher zu gewichten ist als das Recht auf Eigentum und die allgemeine Handlungsfreiheit der vom Verbot betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer“, sagte Richter Wolfgang Kern. Zur sind noch Rechtsmittel möglich, aber man sollte nicht von einem grundsätzlichen Turnaround ausgehen.
Und das ist der Anfang. Auch gegen die Städte Köln und Bonn ist eine ähnliche Klage anhängig, und die Stadt Aachen begrüßte das Urteil aus Süddeutschland laut einem Bericht der Tageszeitung „Rheinische Post“ (Düsseldorf): „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart ist ein Ausrufezeichen und dürfte wegweisend für die kommunale Luftreinhalteplanung sein. Der Handlungsdruck auf alle Großstädte wird sich jetzt enorm erhöhen“, heißt es in der westdeutschen Großstadt.
Dieses Urteil, das höchstwahrscheinlich Schule machen wird, ist ein wirtschaftspolitischer Tiefschlag sondergleichen und völlig unverhältnismäßig. Denn wir müssen dabei zwingend zwei Dimensionen betrachten. Da sind zum einen die gewerblichen Nutzer von Diesel-Fahrzeugen, die auf die sparsamen und steuerbegünstigten Modelle setzen, um Kosten beim Verbrauch einzusparen. Handwerker, Lieferdienste, Pflegeunternehmen, aber auch Feuerwehr und Müllabfuhr könnten nicht mehr in die Innenstädte, um dort ihren (bisweilen lebensnotwendigen) Tätigkeiten nachzugehen, wie beispielsweise der Kölner IHK-Geschäftsführer Ulrich Soénius herausstellt. Auch für die deutsche Automobilwirtschaft (die ja ohnehin stark unter Beschuss steht), ist dies ein harter Schlag. Was tun sie mit ihren Angeboten an Diesel-Fahrzeugen?
Zum anderen greift die Diskussion auch auf eine Vielzahl von Privatleuten über, die ältere Diesel-Fahrzeuge besitzen und gar nicht in der Lage sind, sich neue Autos anzuschaffen, um dem „Gesundheitsschutz“ Rechnung zu tragen. Es mag juristisch korrekt sein, wenn der Stuttgarter Verwaltungsrichter Wolfgang Kern das „Recht auf Eigentum und die allgemeine Handlungsfreiheit der vom Verbot betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer“ nur als zweitrangig einschätzt. Aber es ist in jedem Fall zynisch und auch für nicht wenige Menschen existenzgefährdend. Von den zig Millionen Betroffenen (Mitarbeiter im Einzelhandel, städtische Angestellte, Pflegepersonal, Beschäftige im Gastgewerbe etc.), die es demnächst werden können, wird wohl nur eine Handvoll in der Lage sein, den Kfz-Wechsel ohne wirtschaftliche Verwerfungen zu überstehen. Denn der Wert ihrer Diesel-Fahrzeuge sinkt natürlich brutal, ein Wiederverkauf ist so gut wie ausgeschlossen – und man darf nicht vergessen, dass nur Euro 6-Diesel von dem Fahrverbot ausgenommen sein werden, und dass auch nur fürs Erste. Will heißen, dass auch Diesel-Modell der Oberklasse, die beispielsweise 2014 60.000, 70.000, 80.000 Euro oder mehr gekostet haben, aus dem Verkehr gezogen werden müssen.
Wer dem Urteil jetzt applaudiert, sollte sich fragen, ob der moralisch aufrechte und gerechte Kampf nicht auf dem Rücken der Falschen ausgetragen wird. Man kann nicht wirtschaftliche Gerechtigkeit für alle fordern und gleichzeitig die Menschen dazu verpflichten, wegen der Klage eines dubiosen Vereins (vgl. die „WirtschaftsWoche“ unter http://www.wiwo.de/unternehmen/auto/geschaeftsmodell-der-deutschen-umwelthilfe-der-schreck-der-autobosse/13650238.html) hohe Summe in die Neuanschaffung genehmer Autos zu stecken.
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- Auspuff: dpa