Bundesregierung rüstet für die „Corona-Welle im Herbst“ auf

ARCHIV - Ein Abstrich für einen Corona-Test wird genommen. Das Bundeskabinett hat strengere Corona-Eingriffsmöglickeiten gebilligt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BERLIN – Die Bundesregierung hat wieder schärfere staatliche Eingriffsmöglichkeiten für eine erwartete Corona-Welle im Herbst und Winter auf den Weg gebracht. Die vom Kabinett gebilligten Pläne sehen unter anderem eine bundesweite FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen vor. Kinder zwischen 6 und 14 Jahren sowie Personal sollen auch medizinische Masken tragen können.

In Kliniken und Pflegeheimen soll bundesweit Maskenpflicht gelten; dort soll man vor dem Zutritt auch einen negativen Corona-Test nachweisen müssen.

Zwingende Ausnahme von Maskenpflicht bei negativem Test

Die Länder sollen zudem vom 1. Oktober bis 7. April abgestuft nach Infektionslage weitere Schutzvorgaben anordnen können. Dazu zählen Maskenpflichten in Bussen und Bahnen des Nahverkehrs sowie in weiteren öffentlich zugänglichen Innenräumen. Eine zwingende Ausnahme von einer Maskenpflicht soll es geben, wenn man beim Besuch von Kultur-, Freizeit- oder Sportveranstaltungen und in der Gastronomie einen negativen Test vorzeigt. Zudem können Ausnahmen von der Maskenpflicht mit Nachweisen als vollständig geimpft und genesen erlaubt werden.

Die geplanten Regeln gehen auf ein Konzept von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) von Anfang August zurück. Lauterbach sagte: «Mit diesem Instrumentarium können wir die absehbare Corona-Welle im Herbst bewältigen.» Die Länder bekämen alle Möglichkeiten, angepasst zu reagieren. Es bleibe das Ziel der Corona-Politik, hohe Todeszahlen, viele Arbeitsausfälle und schwere Langzeitfolgen zu vermeiden. Der vom Kabinett gebilligte Entwurf geht nun in den Bundestag und könnte dort am 8. September beschlossen werden. Zustimmen muss dann auch noch der Bundesrat.

Sonderzahlungen für Pflegeheime

Neu vorgesehen sind Sonderzahlungen von 1000 Euro pro Monat dafür, dass Pflegeheime künftig Beauftragte benennen müssen, die sich um Impfungen, Hygiene und Arzneitherapien für Infizierte etwa mit dem Medikament Paxlovid kümmern. Die Einrichtungen sollen für den Aufwand 250 Euro pro Monat bekommen – für Beschäftigte, die die Aufgaben allein oder im Team übernehmen, soll es insgesamt 750 Euro geben.

Die Corona-Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz waren im Frühjahr stark zurückgefahren worden. Allgemeine Maskenpflichten beim Einkauf oder für Veranstaltungen und Zutrittsregeln wie 2G und 3G fielen weg.

Buschmann: «Virus ist nicht weg»

Lauterbach und Buschmann verteidigten die geplanten schärferen Regeln. «Wir müssen uns vorbereiten auf eine Lage, wie sie mutmaßlich im Herbst/Winter eintreten kann», sagte Buschmann am Mittwoch. Buschmann sagte, es handele sich um «ein gutes, moderates und maßvolles Konzept». Lauterbach zufolge werde «ein breites Instrumentarium» zur Verfügung stehen.

Buschmann sagte, viele hätten das Gefühl: «Kann dieser ganze Mist nicht einfach vorbei sein.» Doch er meinte: «Das Virus ist eben nicht weg.» Im Grunde ordne der Bund nur höhere Standards in Heimen an. «Alles andere, was wir vorsehen, sind ja reine Rechtsgrundlagen, also Optionen, die die Länder ziehen können, aber nicht müssen.» Die Länder könnten immer auch weniger machen.

«Ich rechne nicht mit einem Flickenteppich», sagte Lauterbach. Die Maskenpflicht in Innenräumen könne eingeführt werden. Die Länder könnten diejenigen, die frisch geimpft oder frisch genesen seien, aber davon befreien. Wenn die Pandemie das notwendig mache, könnten die Länder eine zweite Stufe zünden. Dann könnten Maskenpflichten im Innenraum ohne Ausnahmen sowie Gebote für Abstände oder Obergrenzen für die Anzahl der Menschen in Räumen greifen. «Ich hoffe nicht, dass es in der Gänze eingesetzt werden muss, aber es muss eingesetzt werden können», so Lauterbach. Er stellte klar, «dass es einen weiteren Lockdown oder Schulschließungen nicht geben wird». Das unterstrich auch Buschmann.

Auch Regelung für den Fall knapper Intensivbetten beschlossen

Vom Bundeskabinett wurde ebenfalls verabschiedet, dass Menschen mit Behinderung oder Hochbetagten für den Fall zu knapper Intensivkapazitäten in der Pandemie nicht benachteiligt werden dürfen. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zur sogenannten Triage vor.

Sind aufgrund einer übertragbaren Krankheit wie Covid nicht ausreichend Intensivbetten verfügbar, soll die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Patienten als maßgebliches Kriterium gelten, ob er ein Bett bekommt oder nicht. Weitere Erkrankungen dürfen eingeschränkt bei der Beurteilung der Überlebenswahrscheinlichkeit berücksichtigt werden. Kriterien wie Alter, Behinderung und Grad der Gebrechlichkeit dagegen nicht. Zuteilungsentscheidungen müssen nach dem Gesetzentwurf mit dem Mehraugenprinzip getroffen werden.

Gelockerte Corona-Einreiseregeln werden verlängert

Darüber hinaus sollen die gelockerten Corona-Regeln für Urlaubsrückkehrer bei der Einreise nach Deutschland auch über das Monatsende hinaus bleiben. Das Bundeskabinett beschloss, die dazu Ende August auslaufende Verordnung vorerst bis 30. September zu verlängern. Die Vorgaben waren angesichts der entspannteren Pandemie-Lage vor der Sommerferienzeit gelockert worden. Seit Ende Mai müssen Einreisende ab zwölf Jahren keine 3G-Nachweise als Geimpfte, Genesene oder Getestete mehr dabei haben.

Lauterbach sagte: «Sollten sich besonders gefährliche Virusvarianten entwickeln, müssen wir verhindern, dass sie sich zu schnell ausbreiten.» Die Verordnung werde daher verlängert, um sich darauf vorbereiten zu können.

Grundsätzlich als «Notbremse» bestehen bleiben daher Regeln für Gebiete, in denen neue Varianten kursieren. Einreisende von dort müssen sich in Deutschland in eine 14-tägige Quarantäne begeben, auch wenn sie geimpft oder genesen sind. Derzeit ist jedoch auf einer Liste des Robert Koch-Instituts (RKI) kein Land aufgeführt, das von der Bundesregierung als «Virusvariantengebiet» eingestuft worden ist.

Bildquelle:

  • Corona-Test: dpa

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