Champions League: 1:0 in Paris gewonnen – doch Bayern ist raus

Thomas Müller zeigt sich nach dem Spiel enttäuscht. Foto: Sebastien Muylaert/dpa

von KLAUS BERGMANN & WOLFGANG MÜLLER

PARIS – Bayern-Trainer Hansi Flick deutete mit der Hand auf seine Armbanduhr und beschwerte sich beim Schiedsrichter über die seiner Meinung nach zu kurze Nachspielzeit. Der Viertelfinal-K.o. des Titelverteidigers in der Champions League setzte nicht nur dem Chefcoach mächtig zu.

Trotz eines Comeback-Sieges gegen Paris Saint-Germain stürzten Bayern Münchens Champions von Europas Fußball-Thron. «Die Ausgangsposition hätte besser sein müssen, wenn man hier nach Paris fährt. Das ist natürlich ärgerlich, wir haben viele Chancen liegen gelassen und vielleicht das eine Tor zu viel kassiert», sagte Bayern-Torwart Manuel Neuer.

Das Kopfballtor von Eric Maxim Choupo-Moting (40. Minute) zum 1:0 (1:0) reichte nach der 2:3-Heimniederlage wegen der Auswärtstorregel nicht zum Halbfinaleinzug. Beide Teams tauschten in einem aufregenden und verrückten Viertelfinal-Rückspiel komplett die Rollen aus der ersten Partie. Das Team von Trainer Flick profitierte diesmal vom Chancenwucher der Gäste. Das nötige zweite Tor aber glückte nicht.

So durfte Kylian Mbappé nach dem Abpfiff erleichtert und gelöst beide Daumen in die Höhe strecken. Anders als bei Bayerns 1:0 im Finale 2020 jubelte diesmal PSG: Zur tragischen Figur eines rasanten Fußballabends wäre dabei fast der brasilianische Weltstar Neymar geworden. Der teuerste Kicker der Welt spielte groß auf – und ließ sein Team doch leiden. Allein beim Stand von 0:0 verzweifelte Neymar innerhalb kürzester Zeit gleich viermal am stark haltenden Manuel Neuer sowie Latte und Pfosten – später wurde es für ihn nicht besser.

Im spektakulärsten Spiel der Saison steckten die Bayern auch die Ausfälle von Topspielern wie Robert Lewandowski, Serge Gnabry, Niklas Süle und Leon Goretzka mit großer Moral weg. «Alle Spieler, die nicht dabei waren, fehlen uns. Wir pfeifen ein bisschen aus dem letzten Loch und das ist schwierig, wenn man gegen so eine klasse Mannschaft spielt», sagte Neuer. «Die Spieler, die auf dem Platz standen, haben alles gegeben.» Für Flick wäre das Weiterkommen mitten im Wirbel um seine Trainer-Zukunft und den Zwist mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic brutal wertvoll gewesen. Nun darf Paris gegen Borussia Dortmund oder Manchester City um den Einzug ins Endspiel kämpfen.

«Wir müssen all in gehen», forderte Flick kurz vor der Partie im TV-Sender Sky. Bei im Gegensatz zum Hinspiel optimalen äußeren Bedingungen spielten die Bayern jedoch nicht Alles oder nichts. Zwar starteten sie engagiert und offensivfreudig, rannten aber nicht kopflos an, wovor Flick gewarnt hatte. Im leeren Stadion entwickelte sich eine vergleichbare Atmosphäre wie beim Finale in Lissabon.

Beiden Teams waren enorme Anspannung und Konzentration anzumerken. Mit langen Diagonalbällen auf die schnellen Außenstürmer Kingsley Coman und Leroy Sané versuchten die Gäste ein kontrolliertes Attackieren. Die ersten brenzligen Strafraum-Situationen ereigneten sich jedoch vor Manuel Neuer. Der im Hinspiel überragende Kylian Mbappé drang in den Strafraum ein, der Ball kam zu Neymar – doch der Brasilianer scheiterte am Münchner Nationalkeeper (9.).

Zuvor hatte Mbappé aus spitzem Winkel verzogen (3.). Nachdem Sané (26.) und Joshua Kimmich (27.) aus der Distanz das PSG-Tor verpasst hatten, entwickelte sich anschließend das «Riesen-Spiel», das Thomas Müller prophezeit hatte. Auch bei den weiteren Privat-Duellen zwischen Neuer und dem Pariser Paradesturm blieb der Torwart in Bayerns großer Glücksphase Sieger. Und wenn Neuer mal nicht herausragend gegen Neymar (27.) parierte, halfen in der ersten Halbzeit gleich dreimal Pfosten (34. und 39.) oder Latte (37.).

«Entschlossenheit, Selbstvertrauen und Konzentration vor der Kiste» wollte Flick sehen – und genau die Effektivität, die beim 2:3 noch gefehlt hatte, zeigten die Bayern nun in Perfektion. Nachdem PSG bei einem halben Dutzend Torchancen erfolglos geblieben war, schlugen die Münchner eiskalt zu. Müller spielte auf David Alaba, der den Platz von Goretzka im Mittelfeld neben Joshua Kimmich eingenommen hatte.

Den Schuss des Österreichers konnte Paris-Schlussmann Keylor Navas noch abwehren, doch gegen Choupo-Motings Kopfball aus kurzer Distanz war der 34-Jährige aus Costa Rica chancenlos. In der Dramaturgie der ersten Hälfte baute sich mit jeder Minute ein Spannungsbogen auf, der sich in den Chancen der Pariser und im Tor der Münchner entlud.

Intensität und Tempo ließen auch nach dem Wechsel nicht nach. Nach einer starken Aktion von Angel di Maria schien Neuer geschlagen, aber Neymar rutschte vor dem leeren Tor am Ball vorbei (53.). Flick, der sich zuvor in der Debatte um die Zusammenarbeit mit Salihamidzic entspannt geäußert hatte («Es geht ja hier nicht um Brazzo oder um mich, sondern es geht um den Club. Er macht seinen Job, ich mache meinen Job, wir konzentrieren uns auf das, was für den Verein wichtig ist. Da wird immer zu viel hineininterpretiert.»), gestikulierte aktiv in seiner Coaching-Zone und applaudierte immer wieder.

In der 78. Minute traf dann Mbappé – stand aber beim vermeintlichen 1:1 im Abseits. Auf der anderen Seite ging Flick zwanzig Minuten vor Schluss dann doch «all in» und brachte Top-Talent Jamal Musiala für Alphonso Davies. Die Münchner dominierten die Schlussphase – wurden am Ende aber nicht mehr mit einem weiteren Tor belohnt.

Bildquelle:

  • Enttäuschung: dpa

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