Das ist Maike, die Greta der Bauern

von PHILIPP FELS

Die langen Konvois hupender und mit Rundumleuchten blitzender Traktoren sorgen seit Oktober  überall in Deutschland für Aufsehen. Zehntausende Bauern sind auf den Straßen, verstopfen die Innenstädte und entzünden Mahnfeuer. Und sie sind laut, denn es geht um ihre wirtschaftliche Existenz, um ihr oft seit Generationen gepflegtes Eigentum, um die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter. Und um die Verteidigung des Reste des freien Unternehmertums. Es sind nicht die großen Lobbyverbände der Landwirte, die den Widerstand organisieren. Es ist eine erstaunliche kleine Gruppe mit dem Namen „Land schafft Verbindung“ (LsV). An ihrer Spitze steht eine beeindruckende Frau: Maike Schulz-Broers (48).

Hinter dieser „Streitmacht“ steht eine echte Basisbewegung. Das soll auch so bleiben, wenn es nach den Vorstellungen der engagierten Bauern und der Initiatorin dieser jungen Bewegung geht. „Wir sind einfach nur Landwirte von der Basis, die sich zusammengefunden haben, um unsere Interessen selbst zu formulieren und zu vertreten – verbandsunabhängig und parteiübergreifend!“, betont Schulz-Broers.

Im Gespräch mit ihr, lernt man einen Menschen kennen, der in aller Ruhe Standpunkte vertritt, nachdenklich an Formulierungen feilt und vor allem nicht kopflos vermeintlichen Lösungen folgen will. Sie wirkt frei und vermittelt deutlich, dass sie das bleiben will. Sie hofft, dass auch die von ihr initiierte Initiative sich alle Freiräume erhält und keine beengenden Bindungen eingeht: „Ich möchte, dass sich in unserer Gesellschaft wieder etwas von der Basis her entwickeln kann und nicht so viel von oben herab angeordnet wird. Ich will, dass die Bürger sich an den eigenen Kopf erinnern und stärker an der Entwicklung der Gesellschaft mitwirken“, erklärt sie.

Es war ihr sicher nicht in die Wiege gelegt, als sie vor 48 Jahren in Hannover geboren wurde, dass sie eines Tages eine der effektivsten Bauernbewegungen aus der Taufe heben würde. Aufgewachsen ist sie in Ostfriesland, hat dort die Schule besucht und in Freiburg im Breisgau erfolgreich eine Lehre als Groß- und Außenhandelskauffrau abgeschlossen. Nach beruflichen Stationen in einem Autohaus in Hannover und bei einem „Landwirtschaftlichen Hauptverein“ in Ostfriesland kehrte sie mit Ende zwanzig in ihren Heimatort zurück. Sie arbeitete als stellvertretende Geschäftsführerin im elterlichen Autohaus. Drei Jahre später siedelte sie um nach Lüneburg. Mit großer Erheiterung erzählt sie, wie sie dort ihren Ehemann kennenlernte: „Eine Freundin hatte mich gebeten, ihr bei der Kartoffelernte zu helfen. Wir waren draußen und da kam dieser junge Mann mit seinem Hund über den Acker geschlendert. Ich habe ihn gesehen und gedacht ‚Das ist meiner‘. So ist es dann auch gekommen. Richtig schön kitschig“, lacht sie aus vollem Herzen.

Mit ihrem Mann bewirtschaftet sie seither einen etwa 150 Hektar großen Ackerbaubetrieb – schuldenfrei, wie sie betont. Auf die Frage, weshalb sie das so erwähne, sagt sie, dass das in der Landwirtschaft heute nicht mehr selbstverständlich sei. Viele Bauern hätten mit Vertrauen in eine verlässliche Politik bauliche Veränderungen an ihren Betrieben vorgenommen und in neue Maschinen investiert. Die müssten nun sehen, wie sie überleben können, wenn die geschäftlichen Grundlagen ihrer Kredite wegfielen, da der Staat sie massiv am Wirtschaften hindert.

Dann spürt man, wie sie sauer wird: „Mich ärgert die Ungerechtigkeit der Politik gegenüber den Menschen. Ich hoffe, dass auch andere Gruppen sich den Protesten anschließen: Handel, Kleinunternehmer, Handwerk, Rentner. Wenn ich die Schuldenuhr für den Großflughafen BER sehe und dann von Politikern höre, dass die Altersabsicherung der Landwirte für die Strafzahlungen an die EU für die nachgewiesenen Versäumnisse und Manipulationen der Politik missbraucht werden sollen, dann werde ich wütend.“ Da kommt Anspannung an die Oberfläche und große Unruhe wird erkennbar, die sie offenbar die Kraft finden lässt, um die immensen, selbstauferlegten Vorhaben zu meistern.

Dennoch ist es erstaunlich, wie gelassen Maike Schulz-Broers wirkt. Neben dem Betrieb und einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern hat sie bis 2016 rund 30 Stunden Teilzeit in einem Kfz-Betrieb gearbeitet. Seit der Diagnose einer Herzerkrankung, ist sie bis heute fürs Erste aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. „Der Arzt meinte vor der Herz-OP lapidar, dass mein Mann froh sein könne, dass ich mit dieser Diagnose morgens noch lebend im Bett gelegen hätte.“ Das habe sie in diesem Moment gerade gebraucht…“ Allerdings sei die Erkrankung auch ein Wendepunkt in ihrem Leben gewesen. Sie habe sich gefragt, was sie künftig will. Da sei ihr klar geworden, dass sie sich aktiver in die Gesellschaft einbringen wolle, dass sie das, was sie in der Politik als falsch erkenne, nicht mehr hinnehmen werde.

Seither ist sie in der FDP aktiv, hat nach Erfahrungen mit Wölfen, ihre Pferde wurden von Wölfen „durch die Zäune gejagt“, den Verein „Wölfe vs Land“ (WvL) gegründet. Auch hier kleckert sie nicht, sondern klotzt: Damit Weidetierhalter nicht mehr hilflos den Gutachten einer monopolisierten, politisch installierten und finanzierten Gutachterinstitution ausgeliefert sind, hat sie das Projekt „Rissgutachter WvL“ gestartet. Gemeinsam mit einem zertifizierten und unabhängigen Institut aus Hamburg werden Menschen darin unterrichtet, wie man an verletzten und getöteten Weidetieren einen genetischen „Fingerabdruck“ nehmen kann, um den Wolf als Täter nachweisen zu können. Nur so haben Geschädigte die Möglichkeit, überhaupt einen Zuschuss zum entstandenen Schaden von den politisch Verantwortlichen der Wolfsansiedlung einfordern zu können.

 

In einem letzten Telefonat reden wir darüber, wie sie sich trotz dieser Belastungen entspannen kann. Es ist später Abend, als sie ans Telefon geht: „Ich lese viel und gerne. Da kann ich gut abschalten.“ Auf die Frage, ob man sie dabei gestört habe, lacht sie: „Nein, ich recherchiere momentan, ob Umweltministerin Schulze vor Bauern die Wahrheit über den europaweiten Umgang mit Nitrat im Grundwasser gesagt hat. Ich habe mir mal ein Glas Rotwein gegönnt und lasse den Tag jetzt ausklingen. Später schaue ich mit meinem Mann noch einen Film.“ Alternativ gehe die Familie gerne gemeinsam ins Kino, gerade im Winter. Man unternehme Spaziergänge mit den beiden Hunden. Vor ihrer Erkrankung seien sie gelegentlich gemeinsam ausgeritten. Heute sitze die Familie ab und zu bei gemeinsamen Spielerunde zusammen. „Völlig unspektakulär, keine großen Urlaubsreisen, keine ausgefallenen Unternehmungen. Wir waren mal in Österreich als die Kinder kleiner waren. Ich wollte richtigen Schnee sehen. Aber das war´s auch schon.“ Das alles in einem ruhigen und angenehmen Plauderton. Da ist keine Aufregung, kein überschäumender Aktivismus und keine Verhärtung zu spüren. Die Politik wird wissen, weshalb sie sich „warm anziehen muss“: Maike Schulz-Broers hinterlässt den Eindruck, dass sie nicht locker lassen wird…

 

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Bildquelle:

  • Maike Schulz-Broers_Bauernprotest: privat

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