von DOROTHEA HÜLSMEIER
DÜSSELSDORF – Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist die CDU am Sonntag mit Abstand stärkste Kraft geworden. Nach den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF lag sie mit 35 Prozent deutlich vor der SPD, die auf 27,5 bis 27,9 Prozent kam.
Die bisherige CDU/FDP-Koalition hat keine Mehrheit mehr. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sieht die CDU als eindeutigen Wahlsieger der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und will die nächste Regierung führen. «Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat diese Wahl klar gewonnen», sagte Wüst am Sonntagabend. «Die Menschen haben uns ganz klar zur stärksten Kraft gemacht. Das ist der Auftrag, eine künftige Regierung zu bilden und zu führen.»
Die Grünen erzielen nach Prognosen von ARD und ZDF ein Rekordergebnis, sie dürften bei der Regierungsbildung zu einem entscheidenden Faktor werden. Die bislang mitregierende FDP erleidet dagegen schwere Verluste. Sie schafft es laut Prognosen nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde und muss damit um den Wiedereinzug in den Landtag zittern.
«Kleine Bundestagswahl»
Die Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland gilt als «kleine Bundestagswahl» und wichtiger Stimmungstest für die Bundespolitik, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den neuen CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz. Wahlberechtigt waren 13 Millionen Bürger, etwa ein Fünftel aller Wahlberechtigten in Deutschland.
Die seit fünf Jahren regierende schwarz-gelbe Koalition hat nach den Prognosen keine Mehrheit mehr. Denkbar wäre unter anderem ein schwarz-grünes Bündnis. Kutschaty könnte aber auch versuchen, als Zweitplatzierter ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP nach dem Vorbild im Bund zu schmieden – sofern die FDP wieder in den Landtag einzieht. Unter Umständen könnte es sogar knapp für Rot-Grün reichen.
Grüne und FDP hatten sich im Wahlkampf alle Bündnisoptionen offengehalten. Die Grünen machten aber deutlich, dass sie eine Zweierkoalition bevorzugen. Mit ihrem starken Ergebnis dürften sie die «Königsmacher» werden. Ihre Spitzenkandidatin Mona Neubaur hatte zuletzt erklärt, es sei «vielleicht gar nicht so spielentscheidend», welcher Mann Ministerpräsident werde.
Grüne werde drittstärkste Kraft
In den Prognosen kommt die CDU auf 35 Prozent (2017: 33,0). Die SPD erreicht 27,5 bis 28,0 Prozent (2017: 31,2). Spitzenkandidat Thomas Kutschaty räumte ein, dass die SPD ihr Wahlziel verfehlt hat. «Wir wollten stärkste Partei werden. Das ist uns nicht gelungen», sagte Kutschaty am Sonntagabend. Das Ergebnis sei leider nicht so hoch wie sich das die NRW-SPD vorgestellt habe. Aber das Ziel, dass die schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit mehr besitze, sei erreicht worden. Kutschaty gratulierte CDU und Grünen zu ihren voraussichtlichen Zugewinnen.
Drittstärkste Kraft werden die Grünen, die 18,0 bis 18,5 Prozent einfahren und damit ihr Ergebnis von 2017 quasi verdreifachen (2017: 6,4 Prozent). Die FDP bricht so stark ein wie noch nie bei einer NRW-Landtagswahl und erzielt nur noch 5,0 bis 5,5 Prozent (2017: 12,6). Die AfD verschlechtert sich den Prognosen zufolge auf 5,5 bis 6,0 Prozent (2017: 7,4.). Die Linke scheitert erneut auch in NRW, sie kommt nur noch auf 2,0 bis 2,1 Prozent (2017: 4,9).
Für die Sozialdemokraten dürfte der Wahlausgang eine Enttäuschung sein, hatten sie doch auf Sieg gesetzt – knapp acht Monate nach der Bundestagswahl und sieben Wochen nach ihrem Triumph im Saarland. Rückenwind dagegen bedeutet das Ergebnis für die CDU und Parteichef Merz.
Grenzenloser Jubel bei der CDU in NRW
Mit riesigem Jubel und minutenlangem Applaus reagierten zahlreiche Anhänger der CDU Nordrhein-Westfalen auf die ersten Prognosezahlen. Der Hof der CDU-Landesgeschäftsstelle war prall gefüllt. Viele Christdemokraten jubelten und fielen sich um den Hals als die Zahlen verkündet wurden. Spitzenkandidat und Ministerpräsident Hendrik Wüst blieb zunächst in seinem Büro, wollte sich aber in der CDU-Zentrale äußern.
Bei vollen Bierfässern und Mettbrötchen feierten die CDU-Anhänger bei strahlendem Sonnenschein das starke Abschneiden. Zahlreiche Landesminister – darunter Innenminister Herbert Reul, Justizminister Peter Biesenbach, Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Verkehrsministerin Ina Brandes – feierten mit.
Zweiter Erfolg der CDU nach Wahlsieg in Schleswig-Holstein
Für die CDU ist es der zweite Erfolg nach dem haushohen Wahlsieg in Schleswig-Holstein, der die Serie von Niederlagen im Bund und in mehreren Ländern vor einer Woche beendet hatte. In Kiel strebt Ministerpräsident Daniel Günther nun eine Fortsetzung der seit 2017 regierenden Jamaika-Koalition an, obwohl die CDU auch mit Zweierbündnissen eine sichere Mehrheit hätte.
Wüst hatte das Amt des Regierungschefs erst im Oktober 2021 von Armin Laschet übernommen, der bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat der Union gescheitert war. Laschet trat in der Folge auch als CDU-Bundesvorsitzender zurück. Merz stammt ebenfalls aus NRW, er hatte Wüst im Wahlkampf engagiert unterstützt. Der 46-jährige Wüst begann seine Karriere als Generalsekretär der NRW-CDU, 2010 trat er infolge einer Affäre zurück und wurde später Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Zeitungsverlegerverbands. 2017 wurde er dann unter Laschet Landesverkehrsminister.
NRW nicht mehr «Stammland» der SPD
Als «Stammland» der Sozialdemokratie gilt NRW schon lange nicht mehr. CDU und SPD wechselten sich in den vergangenen Wahlperioden an der Regierung ab, seit 2005 hat kein Regierungsbündnis länger als sieben Jahre durchgehalten. Der heutige SPD-Partei- und Fraktionschef Kutschaty war bis 2017 Landesjustizminister in der rot-grünen Koalition. Unter der Führung des 53-Jährigen rutscht die SPD den Prognose zufolge jetzt noch unter das Ergebnis von 2017, das schon damals mit 31,2 Prozent einen historischen Tiefstand markierte.
Die AfD, vor einer Woche in Schleswig-Holstein erstmals wieder aus einem Landtag rausgeflogen, erleidet auch in NRW Verluste. Ob sie wieder in den Landtag einzieht, war nach Prognosen noch nicht ganz sicher. Die Linke, seit zehn Jahren nicht mehr im Landtag vertreten und 2017 nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde-gescheitert, bleibt sicher weiterhin draußen.
Bildquelle:
- Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: dpa