Gespräche mit Wladimir Putin – was ist zwischen 2001 und 2007 mit dem Mann passiert?

Liebe Leserinnen und Leser,

einen schönen guten Morgen wünsche ich Ihnen und eine perfekten Start in die neue Woche!

Es kommt selten vor, dass ich Ihnen hier ein Buch zum Kauf empfehle, und schon gar nicht, dass ich es zweimal tue. Das erste Mal war auf meinem Blog, nachzulesen hier.

Da beschreibt der frühere BILD-Chefredakteur Kai Diekmann ausführlich, wie sich seine Freundschaft mit dem Altbundeskanzler Helmut Kohl entwickelte, der den jungen BILD-Reporter schon früh zu duzen begann, während Diekmann bis lange nach dessen Kanzlerschaft immer noch ehrfürchtig „Herr Bundeskanzler“ nannte. Und wie er dann an dessen Grab Abschied von dem großen Staatsmann aus der Pfalz, dem Kanzler der Deutschen Einheit, nahm.

In diesem Fall muss ich einfach nochmal nachlegen auch bei Ihnen. Es geht um das Buch „Ich war BILD“ des ehemaligen Chefredakteurs der auflagenstärksten Tageszeitung Europas, Kai Diekmann, das ich gestern Nachmittag im Garten in der Sonne zu Ende gelesen habe. Und es ist in vielerlei Hinsicht atemberaubend.

Das letzte Viertel des Buches dreht sich ausschließlich um seine Begegnungen mit den russischen Staatschefs, die er persönlich getroffen und kennengelernt hat. Gorbatschow, Jelzin und natürlich mehrfach Wladimir Putin, den er erstmals sechs Tage nach den furchtbaren Terroranschlägen vom 11. September 2001 traf für ein Interview. Eigentlich war Moskau als Ort der Begegnung geplant, aber dort angekommen kam der Anruf, man werde sich in Sotschi treffen.

Leicht erzählt und hochspannend, wie der ehemalige KGB-Agent Putin in flüssigem Deutsch über die Pläne Russlands für die Zukunft plauderte, über Kooperationen mit Europa und Deutschland, über unsere deutsche Kultur. Alles entspannt, alles heiter. Und wie Putin Diekmann am Ende des Interviews fragte, ob er Lust habe, noch mit ihm schwimmen zu gehen.

Diekmann hatte und Putin lieh dem aus Bielefeld stammenden Journalisten eine ziemlich enge Badehose. Ich kann mich an die Geschichte in BILD damals noch erinnern, wie die beiden Männer da mit Jetskis ausgelassen auf dem Wasser herumbrausten wie zwei jugendliche Rabauken. Zwei Monate vorher hatte ich begonnen, für BILD zu arbeiten als stellvertretender Chef der NRW-Ausgabe. Eingestellt wurde ich damals in Hamburg von Kai Diekmann.

Aber zurück zu Putin, den Diekmann nach der ersten Begegnung als sympathisch, besonnen und mit leiser Stimme sprechend beschreibt. Und der wenig später seine berühmte Rede im Deutschen Bundestag in deutscher Sprache hielt. Als er die Versöhnung zwischen Russen und Deutschen und die Freundschaft zwischen beiden Ländern würdigte, so beschreibt Diekmann den Auftritt, flossen bei einigen älteren Abgeordneten die Tränen.

Und dann aber Putins Auftritt sechs Jahre später auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die zu einer scharfen Abrechnung mit dem Westen insgesamt und auch mit Deutschland geriet.

Was ist dazwischen passiert, fragt Diekmann in dem Buch, ganz offenbar bemüht, den Mächtigen im Kreml zu verstehen, der sich mit dem Angriff auf die Ukraine anschickt, die Büchse der Pandorra zu öffnen.

Der frühere BILD-Chef hat Putin auch später noch getroffen, auch als der Ton schon rauer wurde zwischen dem mächtigen Staatschef und dem mächtigen Journalisten, der klar auf Seiten des Westens steht und immer gestanden hat. Er erzählt viele Details aus ihren Gesprächen.

Diekmann denkt, dass die NATO-Osterweiterung wohl tatsächlich der entscheidende Punkt im Denken Putins gewesen ist, der zur jetzigen Situation geführt hat. Es wäre auch im Interesse der anderen europäischen NATO-Staaten gewesen, einen neutralen Puffer zwischen dem Bündnis und der Russischen Föderation zu schaffen, beharrt Putin. Diekmann entgegnet, dass jedes Land frei sei, selbst zu entscheiden, welchem Bündnis es sich anschließen will. Zwei Standpunkte, beide haben viele Unterstützer. Allerdings rechtfertigt nichts den Wahnsinn, den Putins Armee da in der Ukraine gerade veranstaltet.

Das Buch von Diekmann ist nicht Selbstbeweihräucherung, es ist ein gutes Stück Zeitgeschichte, wie meine Generation sie erlebt hat. Über Wulff, Kohl, Kissinger bis eben zu Putin und Trump. Von mir 5 Sterne für diesen Bestseller.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.