Muttis Zeit läuft ab, die Ära der jungen Männer hat auch in der Union begonnen

von KLAUS KELLE

Eine echte Revolution gab es nicht, Rücktrittsforderungen an Angela Merkel nur vereinzelt und wenn, dann begleitet von kräftigen Buh-Rufen. Aber der Wille zu programmatischer Klarheit und einem personellen Neuanfang der Union war beim Deutschlandtag der Jungen Union in Dresden mit Händen zu greifen. Die Junge Union? Ist das nicht ein Haufen Karrieristen, die immer mal zum großen Wurf ansetzen und sich dann aber nicht trauen? Nein, genau das ist sie nicht, die Parteijugend von CDU und CSU. 110.000 Mitglieder stark, ist sie ein wichtiger Faktor bei jedem Wahlkampf ihrer Partei. Es sind die JUler, die an den Infoständen in Fußgängerzonen stehen, die den Grill beim Sommerfest der Ortsunion und die Bierbänke aufbauen. Es sind Jungunionisten, die Flyer in die Briefkästen der Haushalte verteilen, die Kandidaten bei Hausbesuchen begleiten und orangefarbene „Team“-T-Shirts tragen. Ohne die JU würde Vieles nicht mehr laufen in der träge und langweilig gewordenen Volkspartei der Mitte. Jens Spahn, den inzwishen viele in der Union als Gegenmodell zu Merkel sehen, bringt es auf den Punkt: „Glaubt denn irgendjemand ernsthaft im Saal, wir hätten in Baden-Württemberg zwölf Prozent an die AfD verloren – wegen der Pflegepolitik?“ Der Saal jubelt. Spahn wird nach seinem 40-minütigen Grußwort vom Nachwuchs der Partei gefeiert wie ein Popstar. Und manch einer wird einen kurzen Gedanken an Sebastian Kurz von der österreichischen Schwesterpartei ÖVP zugelassen haben. Neue Gesichter, junge Anführer sind gefragt bei den Bürgerlichen. Kurz macht es vor, Lindner hat es bei der FDP gezeigt und Spahn könnte der Mann der Zukunft bei der CDU sein. Mutti? Die ehrt man, aber der vertraut man nicht die Zukunft an.

Sie haben sich alle nochmal in bequeme Ämter gerettet, die Wahlverlierer. Merkel wird wieder Kanzlerin und moderiert eine Koalition mit Grünen und CSU – viel Spaß dabei! Seehofer wird in seiner CSU unverholen als Auslaufmodell betrachtet – von den eigenen Parteifreunden. Peter Gauweiler hat es knackig zusammengefasst: „Horst, es ist Zeit!“.  Als Peter Tauber, der überforderte Generalsekretär in der Tradition eines Ruprecht Polenz, beim Deutschlandtag einzog, erntete er Pfiffe aus dem Auditorium. CDU/CSU-Fraktionschef Kauder fuhr bei seiner Wiederwahl ein grottenschlechtes Ergebnis der Abgeordneten ein. Und über Peter Altmeiers unsägliches Zitat aus der vergangenen Woche will ich hier gar nicht anfangen…

Sie sind die Leute von gestern, die sich hier nochmal die Pfründe und Dienstwagen gesichert haben. Ein Skandal, dass niemand, wirklich niemand von denen die Verantwortung für den katastrophalen Wahlkampf und die historische Niederlage übernimmt, die zudem – bisher ein No-Go – mit der AfD eine starke Partei rechts der Union in den Bundestag spülte. Merkels Zeit ist vorbei, sie weiß es nur noch nicht. Die Zeit der Spahns, Linnemanns und Ziemiaks (JU-Chef) hat längst begonnen.

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.