PROZESSBEGINN: Verhinderte Lauterbach-Entführer ab heute vor Gericht

ARCHIV - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollte offenbar entführt werden - jetzt beginnt vor dem Oberlandesgericht Koblenz der Prozess gegen fünf Angeklagte. Foto: Oliver Berg/dpa

KOBLENZ – Vor dem Oberlandesgericht Koblenz beginnt heute der Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder einer Terrorgruppe namens «Vereinte Patrioten». Sie hatten einen Staatsstreich in Deutschland geplant und wollten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen.

Den vier Männern im Alter von 44 bis 56 Jahren sowie einer 75-jährigen Frau wird vorgeworfen, eine inländische terroristische Vereinigung gegründet zu haben oder darin Mitglied gewesen zu sein und ein hochverräterisches Unternehmen gegen den Bund vorbereitet zu haben. Für den ersten Verhandlungstag ist die Anklageverlesung geplant. Das Quintett war im Laufe des vergangenen Jahres festgenommen worden, es sitzt in Untersuchungshaft.

«Bürgerkriegsähnliche Zustände» auslösen

Die Gruppe, die Ermittler dem «Reichsbürger»-Milieu zuordnen, soll der Anklage zufolge einen dreistufigen Plan ausgearbeitet haben: Zunächst sollte durch Sprengstoffanschläge ein mindestens zweiwöchiger Stromausfall herbeigeführt werden. Anschließend sollte Lauterbach gewaltsam entführt werden – «gegebenenfalls nach Tötung seiner Personenschützer», wie es vom OLG heißt. In den dann angeblich ausgelösten «bürgerkriegsähnlichen Zuständen» sollen die Angeklagten eine Versammlung in Berlin geplant haben, um die Regierung abzusetzen und neue «Führungspersonen» zu bestimmen.

Aus den mutmaßlichen Plänen der Gruppe wurde nichts – sie gerieten beim Waffenkauf an einen verdeckten Ermittler. Die vier Männer wurden im April 2022 an verschiedenen Orten in Deutschland festgenommen. Bei bundesweiten Durchsuchungen wurden Schusswaffen und Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sichergestellt.

Die 75-jährige pensionierte Lehrerin wurde Mitte Oktober 2022 in Sachsen festgenommen. Sie soll besonders auf die zeitnahe «Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches» gedrängt haben, wie aus einem gestern veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) hervorgeht. Sie habe zudem mehrere Schriftstücke verfasst, die für die Aktionen der Gruppe benötigt worden wären: Schreiben an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den polnischen Präsidenten Andrzej Duda und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie einen «Haftbefehl» gegen Lauterbach.

Lauterbach vertraut in Rechtsstaat

«Verfahren und Vorgeschichte haben mein Vertrauen in unseren Rechtsstaat gestärkt. Dafür bin ich den Beamten, die an der Verhaftung beteiligt waren, und meinen Personenschützern, die auf mich aufpassen, sehr dankbar. Sie riskieren ihr Leben für uns», sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die mutmaßlichen Täter hätten «ihre eigenen Möglichkeiten dramatisch überschätzt». «Es ist abwegig zu glauben, eine Regierung könnte stürzen, nur weil einer ihrer Minister erschossen würde. In meiner Arbeit lasse ich mich durch diese Vorfälle nicht irritieren. Es besorgt mich aber, dass sich solche Gruppen jederzeit bilden können und auch Zugang zu Waffen haben.»

Dem «Spiegel» sagte Lauterbach zu dem Prozess: «Ich wünsche mir harte, gerechte Urteile.» Nur harte Urteile könnten Nachahmer abschrecken.

Wer hatte welche Rolle?

Im Prozess geht es auch darum, wie weit die Pläne fortgeschritten waren und wer eine führende Rolle in der Gruppe hatte. «Was ernst genommen werden sollte, ist, wenn Menschen anfangen, sich zu bewaffnen und vor allem auch, sich illegal zu bewaffnen, und Pläne schmieden, die es nur noch umzusetzen gilt», sagte der Politikwissenschaftler Jan Rathje, Experte für die „Reichsbürger“-Szene.

Mit Blick auf das Alter der 75-jährigen Angeklagten sagte er: «Man sollte nicht verharmlosen, dass auch ältere Menschen zu terroristischen Taten fähig sein können, und sei es nur, dass sie sich planerisch in die Gruppe einbringen.»

Verschwörungserzählungen um QAnon

Während der Pandemie und der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen seien verschiedene Milieus enger zusammengerückt. Sie hätten die Bundesregierung als geteiltes Feindbild. «Besonders an diesem Fall ist, dass diese souveränistische Gruppierungen auch Elemente der US-amerikanischen Verschwörungserzählungen um QAnon integriert haben», sagt Rathje. «Das konnten wir bisher bei Ermittlungen gegen souveränistische Gruppen noch nicht beobachten.»

Bildquelle:

  • Karl Lauterbach: dpa

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