von DIETRICH KANTEL
Ein Drittel der Deutschen engagiert sich ehrenamtlich. Also freiwillig, unentgeltlich, unter Aufwendung von Freizeit. Allenfalls wird eine geringe Aufwandsentschädigung gezahlt. Die ist seit dem 1. Januar 2021, zwecks Förderung und Anerkennung dieses Engagements bis zu 3.000 Euro steuerfrei – im Jahr. Das ist nicht die Welt. Jedoch ist es ein bescheidener Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Anerkennung. Und schließlich soll ja ein Ehrenamtler, der wichtige Aufgaben für die Bürgergemeinschaft wahrnimmt, nicht auch noch auf seinen Kosten dafür sitzen bleiben. Beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk/Fernsehen versteht man unter Ehrenamt allerdings etwas sehr anderes. Beim Westdeutschen Rundfunk zum Beispiel, dem WDR. Da kassiert man „ehrenamtlich“ über 3.000 Euro – im Monat.
Kein Honorar ?
Beispiel für das Verständnis von Ehrenamt im öffentlich-rechtlichen Rundfunkwesen der Bundesrepublik Deutschland: Die größte deutsche Anstalt, der WDR. Nach § 15 Abs.17 WDR-Gesetz in Verbindung mit § 15 der WDR-Satzung haben die Mitglieder des Rundfunkrats und deren Stellvertreter Anspruch auf Aufwandsentschädigung. Und zwar vorschüssig jeweils zum Monatsanfang. Im WDR-Gesetz heißt es:
„Die Tätigkeit der Mitglieder des Rundfunkrats ist ehrenamtlich. Die Mitglieder des Rundfunkrats erhalten für jegliche Art von Arbeit bei der Rundfunkanstalt kein Honorar. Die Mitglieder des Rundfunkrates erhalten für ihre Tätigkeit eine monatliche Aufwandsentschädigung“.
Soweit die Rechtslage. Ehrenamtlich, kein Honorar – nur Aufwandsentschädigung. Das klingt gut, öffentlich und rechtlich, sauber, kurz: der Allgemeinheit verpflichtet.
36.840 Euro – ehrenamtlich
Die Regularien für diese Aufwandsentschädigungen von Rundfunkräten, die gesellschaftliche Aufsicht ausüben sollen, sind typisch deutsch. Das heißt, sie sind nicht einfach, sondern hoch kompliziert. Im Einzelnen geregelt im prozentualen Verhältnis zu den Bezügen der NRW-Landtagsabgeordneten, mit Abstufungen, Zuschlägen, und Sonderregelungen. Das zu lesen, ist für den Rechtslaien abschreckend. Wer sich trotzdem traut, errechnet folgendes:
Vorsitz im Rundfunkrat: monatlich 3.070 €, macht 36.840 € im Jahr. „Ehrenamtlich“. Stellvertreter: monatlich 2.020 €.. macht 24.240 € im Jahr. Einfache Mitglieder: monatlich 1055 €, stellvertretende Mitglieder: monatlich 485 €. Ist das Mitglied zusätzlich in einem Ausschuss sind es monatlich 1275 €. Wer den Vorsitz in einem Ausschuss hat oder im Programmbeirat der ARD sitzt, erhält monatlich 1755 €, Stellvertreter monatlich 1535 €.
In der bürgerlichen Begriffswelt versteht man unter einer Aufwandsentschädigung eine der Vereinfachung halber pauschalisierte Entschädigung für gewisse Kosten, die mit der Ausübung eines Ehrenamtes verbunden sind und auf denen der Ehrenamtler nicht sitzen bleiben soll. Wenn man die vermeintlich ehrenamtliche Tätigkeit von Rundfunkräten betrachtet, muss dieses Verständnis aber als deutlich naiv erscheinen.
Klatsche für Millionen Ehrenamtler
Denn: das WDR-Gesetz, die Satzung des WDR und die sie ergänzende Geschäftsordnung halten noch ein Füllhorn weiterer zusätzlicher Entschädigungen bereit: Tage- bzw. Sitzungsgelder sowie die Erstattung von Fahrt-, Reise- und Übernachtungskosten. Da wird die Begriffswelt des öffentlich-rechtlichen Zwangsnutzers und -zahlers einschließlich der Nichtseher und Nichthörer, mithin der Begriff jedes gemeinen Bürgers von dem, was für ihn „Ehrenamt“ bedeutet, ad absurdum geführt. Müssen das nicht all die Millionen Bürger, die Aufgaben wirklich noch im Sinne des Wortes ehrenamtlich zum Nutzen der Allgemeinheit gänzlich ohne oder bestenfalls gegen eine kleine Entschädigung wahrnehmen, als Klatsche empfinden?
Die Rechnung
120 Mitglieder zählt allein der WDR-Rundfunkrat. 60 „Ordentliche“ und 60 Stellvertreter. Es bestehen mindestens drei Ausschüsse: der Programmausschuss (20 Mitglieder), der Haushalts- und Finanzausschuss (15 Mitglieder) und der Ausschuss für Rundfunkentwicklung (14 Mitglieder). Laut Satzung können weitere Ausschüsse, Unterausschüsse und Fachgremien gebildet werden. Da fallen viele Sitzungsgelder, Reisekosten usw. an.
Diese Kopfzahl und den Schlüssel für die Aufwandsentschädigungen zugrunde gelegt ergibt sich ein Kostenaufwand für den „ehrenamtlichen“ Rundfunkrat im Jahr von kanpp 1,5 Millionen Euro, mindestens. Denn: in dieser Rechnung sind die – schwer einschätzbaren – Erstattungen für Zusatzleistungen ( Fahrt-, Reise- und Übernachtungskosten) noch nicht enthalten.
Prinzip mit Methode
Der WDR mit seinem Rundfunkrat ist hier nur das exemplarisch gewählte Einzelbeispiel. Doch das deutsche Öffentlich-Rechtliche Rundfunkwesen besteht bekanntlich aus einer Vielzahl von Rundfunk- und Fernsehanstalten. Da ist die ARD, die aus insgesamt 10 „Anstalten“ besteht. Jede von ihnen unterhält einen eigenen Rundfunkrat. Dann ist da noch das ZDF. In Ermangelung von Rundfunkprogrammen heißt das Gremium hier Fernsehbeirat. Alles zusammengenommen sind in Deutschlands öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten deutlich über 500 Mitglieder in Fernseh-/ Rundfunkräten bestellt.
WDR ist spitze
Der WDR stellt bei seinen Entschädigungszahlungen die einsame Spitze im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkkomplex dar. Das darf in einer Gesamtbetrachtung nicht verschwiegen werden.
Beim ZDF erhält der Vorsitzende „nur“ etwas mehr als 12.000 Euro im Jahr. Das ZDF wandte im Jahr 2019 für den Fernsehrat nach eigenen Angaben insgesamt Aufwandsentschädigungen in Höhe von rund 484.000 Euro auf.
Oder der Bayerische Rundfunk: hier erhält der Vorsitzende des Rundfunkrates „nur“ 16.800 Euro jährlich, das einfache Mitglied 8.400 Euro – dafür aber (jedes Mitglied) jedesmal 100 Euro Sitzungsgeld. Reise- und andere Kostenerstattungen werden zusätzlich fällig..
Es gibt auch Ausnahmen. Denn von einem wahren Ehrenamt kann bei der Mini-Anstalt Radio Bremen gesprochen werden: Ein Mitglied erhält rund 250 Euro, die Vorsitzende 128 Euro Zulage – im Jahr, nicht im Monat. Auch bei der Nummer Zwo im Mini-Ranking kann von echtem Ehrenamt gesprochen werden, wenn die Mitglieder im Saarland nur Sitzungsgelder erhalten und Vorsitzender, Stellvertreter und Ausschussvorsitzende nur ein „erhöhtes Sitzungsgeld“ von 120 Euro. Jedoch: Wofür braucht man solche Mini-Anstalten ? Diese sind seit Jahren defizitär und müssen von den übrigen Sendeanstalten gestützt werden. Teure Intendantengehälter inklusive. Das aber wird Gegenstand einer gesonderten Berichterstattung bei theGermanZ sein.
Wahnsinn made in Germany
Es stellen sich weitergehende Fragen, um deren Beantwortung sich die Politik seit Jahrzehnten herumdrückt: Warum werden elf öffentlich-rechtliche Fernsehrundfunkanstalten benötigt, plus Phoenix, plus ARTE mit unzähligen Spartenprogrammen, 22 Fernsehkanälen, 67 Rundfunkprogrammen plus vielfältigen Internetauftritten. Das Ganze orchestriert durch die daraus resultierende Vielzahl von Verwaltungsräten, Rundfunkräten, Programmbeiräten und weiteren Fachbeiratsgremien. Und das bei zunehmend fragwürdiger Qualität, wie Kritiker des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunksystems bemängeln. Das alles verschlingt Geld. Viel Geld, derzeit rund 8 Milliarden Euro. Jedes Jahr. Tendenz: steigend.
Darin enthalten jedes Jahr Millionen Euro für vermeintliche „Ehrenamtler“. Man könnte das auch als Wahnsinn bezeichnen. Made in Germany.
Bildquelle:
- WDR_Zeppelin: pixabay