Verfassungsschutz in Sachsen sammelte illegal Politikerdaten

ARCHIV - Der Geheimdienst speicherte unter anderem Äußerungen von Martin Dulig zum Umgang der sächsischen CDU mit Rechtsextremismus. Foto: Robert Michael/dpa

DRESDEN – Der sächsische Verfassungsschutz hat illegal Informationen über Politiker gesammelt – darunter auch den stellvertretenden Ministerpräsidenten und SPD-Chef Martin Dulig.

Laut einem Bericht der für die Geheimdienstaufsicht zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) speicherte der Geheimdienst unter anderem Äußerungen Duligs zum Umgang der sächsischen CDU mit Rechtsextremismus. Auch Aussagen von Grünen- und Linken-Abgeordneten wurden dokumentiert. Die Parteien regierten am Dienstag empört. Der Verfassungsschutz selbst räumte Fehler ein.

Eine Rekonstruktion, auf welchem Weg die Informationen an den Verfassungsschutz gelangt sind oder aus welchen Motiven sie erhoben wurden, sei der Kommission nicht möglich, heißt es in dem Bericht. Unmissverständlich wird aber bilanziert: «Ihre Speicherung ist jedenfalls klar rechtswidrig.»

Dulig äußerte sich entsetzt. «Ich fühle mich kriminalisiert», sagte der SPD-Politiker. «Es ist für mich ein ungeheuerlicher Vorgang, dass Daten über mich als Demokrat gesammelt werden.» Noch dazu seien die Informationen «belanglos».

Auch sein Amtskollege Wolfram Günther, Umweltminister und ebenfalls stellvertretender Ministerpräsident, reagierte empört: Die illegale Datensammlung sei ein weiterer Skandal in einer an Skandalen reichen Geschichte des sächsischen Verfassungsschutzes, twitterte der Grünen-Politiker. «Das darf in einem demokratischen Rechtsstaat nicht passieren!»

Der Verfassungsschutz erklärte, die Überprüfung durch die Parlamentarische Kontrollkommission habe ergeben, «dass über viele Jahre nahezu zu allen Abgeordneten des sächsischen Landtages öffentlich zugängliche Informationen, ohne dass eine nachrichtendienstliche Relevanz zugrunde gelegen hätte, sowie deren personenbezogene Daten, gespeichert worden waren».

Der Geheimdienst lieferte auch eine Erklärung für die Sammelei. Sie habe mit der elektronischen Datenverarbeitung zu tun: Jegliches Schriftgut werde nach Eingang automatisch erfasst. Erst später werde geprüft, ob die Informationen überhaupt eine Relevanz für die Geheimdienstarbeit hätten. Diese Prüfung «erfolgte bis Mitte 2020 nicht fristgemäß», hieß es. Die Abgeordnetendaten hätten bei korrekter Arbeitsweise «bereits unverzüglich mit Posteingang gelöscht werden müssen, weil sie überhaupt keinen nachrichtendienstlichen Mehrwert besitzen und auch nicht zur Aufgabenerfüllung des LfV erforderlich sind», so der Verfassungsschutz.

Neben Äußerungen Duligs seien auch Aussagen des Linken-Abgeordneten Rico Gebhardt festgehalten worden, heißt es in dem PKK-Bericht. So habe Gebhardt Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) vorgeworfen, dieser habe sich als «Verlautbarungsorgan des Militärs» betätigt.

Die Linken sprachen daraufhin von «gravierenden Problemen beim sächsischen Inlandsgeheimdienst». Landeschef Stefan Hartmann erklärte: «Die Verfassung würde durch eine Abschaffung des Geheimdienstes besser geschützt als durch den Fortbestand der Behörde.»

Bereits im Sommer des vergangenen Jahres hatte eine Datenschutz-Affäre beim Verfassungsschutz für Aufsehen gesorgt. Damals ging es um die umstrittene Speicherung der Daten von AfD-Abgeordneten. Die Parlamentarische Kontrollkommission überprüfte auch diesen Fall. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Daten zwar gesammelt werden durften – aber später auch wieder hätten gelöscht werden müssen.

Der Verfassungsschutz hat seit Mitte vorigen Jahres mit Dirk-Martin Christian einen neuen Chef. Er hatte den umstrittenen Präsidenten Gordian Meyer-Plath abgelöst, aus dessen Zeit die Praxis zur Sammlung der Abgeordnetendaten stammte. Christian erklärte am Dienstag, dass er inzwischen eine Reihe von rechtlichen und organisatorischen Maßnahmen ergriffen habe, «die künftig eine rechtssichere Vorgehensweise sicherstellen».

Für Sachsens Innenminister zeige der Bericht der PKK, dass «die unverzügliche Aufarbeitung und Ablösung» des damaligen Präsidenten folgerichtig und notwendig gewesen sei. Der CDU-Politiker verwies auf die Bedeutung des freien Mandates in einer Demokratie. «Der Kampf gegen Extremismus und Feinde der Demokratie muss zwingend auf Basis von Recht und Gesetz geführt werden.»

Bildquelle:

  • Martin Dulig: dpa

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