von LUKAS MIHR
Vor 20 Jahren wurde die Wikipedia gestartet. Erklärtes Ziel war es, jedem Erdenbürger kostenlosen Zugriff auf das Wissen der Menschheit zu gewähren. Und natürlich, wer sich beispielsweise zu einem naturwissenschaftlichen Thema einen groben Überblick erschaffen will, ist an der richtigen Adresse. Natürlich wird man nicht so gut informiert wie in der Fachliteratur, doch die könnte man als interessierter Laie ja ohnehin kaum verstehen.
Deutlich komplizierter wird es jedoch, wenn man sich über ein politisch strittiges Thema informieren will. Dann ist es mit der versprochenen Neutralität auf einmal nicht weit her.
Auch wenn die Wikipedia als solche keine bestimmte Ausrichtung hat, ergibt sich eine Schieflage. Jeder kann Artikel nach Belieben editieren. Da reicht es schon, dass sich einige linke Autoren zu regelrechten Kollektiven zusammengeschlossen haben, um die Marschrichtung vorzugeben.
Böse Zungen behaupten, dass vor allem arbeitslose Geisteswissenschaftler zu den fleißigsten Autoren zählen. Überprüfen lässt sich dies nicht, jedoch weisen einige Nutzerkonten derart viele Einträge auf, dass an eine reguläre Lohntätigkeit kaum zu denken ist. Quellenverweise zu alternativen Medien sind nicht gern gesehen. Der „Jungen Freiheit“ wird immer noch die „Scharnierfunktion“ zum Rechtsextremismus vorgeworfen. Diese Einstufung ist allerdings knapp 30 Jahre alt und wird der Mäßigung des Blattes nicht mehr gerecht.
Allein die deutsche Medienlandschaft gibt zum Gutteil die Ausrichtung der Wikipedia vor. Das Neue Deutschland, die Junge Welt oder die Amadeu-Antonio-Stifttung werden akzeptiert. Und das, obwohl die genannten Zeitungen von der SED ins Leben gerufen worden und die Gründerin der Stiftung bekanntermaßen Stasi-Spitzel war.
Beim Lesen des Artikels über den Islam könnte man beinahe denken, dieser sei eine friedliche Religion. Man muss schon weit nach unten scrollen, um den Verweis zum Artikel über islamischen Terrorismus zu finden. Umgekehrt wird eine Änderung, die Thilo Sarrazin in positivem Licht erscheinen lässt, schnell zurückgenommen.
Auch die politisch korrekte Schreibweise person bzw. people „of colour“ hat sich in mehreren deutschen Artikeln durchgesetzt. So zum Beispiel im Eintrag über das „Squad“ eine Gruppe von sechs nicht-weißen Parlamentariern im US-Kongress, die als entschiedene Gegner Donald Trumps gelten. Generell ist der Artikel sehr wohlwollend geschrieben. Nur ein Einreiseverbot in Israel gegen eines der Mitglieder wird erwähnt.
Im Artikel über Black Lives Matter sucht man vergeblich die 17 Morde durch anti-weiße Rassisten in den USA oder über den Antisemitismus in weiten Teilen der Bewegung.
Wie weit die Genderideologie in die Wikipedia vorgedrungen ist, zeigt sich im Falle des Whisteblowers Bradley Manning. Dieser hatte in der Haft bekanntgegeben, sich als Frau zu fühlen und Chelsea zu heißen. Der Name wurde augenblicklich übernommen und sein männliches Pronomen zu einem weiblichen abgeändert – ohne dass eine offizielle Namensänderung oder Geschlechtsumwandlung erfolgt wäre.
Ebenso erfährt man in der deutschen Wikipedia, dass es keine Menschenrassen gäbe – obwohl sich dies mit bloßem Auge feststellen lässt.
In Deutschland tut sich insbesondere der Soziologe und Antifa-Sympathisant Andreas Kemper unter dem Pseudonym „Schwarze Feder“ hervor. Er nutzt die Wikipedia vor allem, um seine Forschungen zum Thema „Klassismus“ publik zu machen. Seine dünne These lautet, dass die Oberschicht die Unterschicht diskriminiert. Für ihn gilt als oberstes Dogma die Gleichheit aller Menschen, weswegen er ständig versucht, Zweifel am Konzept des Intelligenzquotienten zu säen. Auch stellt er Kritik am Feminismus in die rechte Ecke.
Gelegentlich hübschen Politiker oder ihre Mitarbeiter (egal ob links oder rechts) die eigenen Artikel auf. 2006 musste auch der heutige US-Präsident Joe Biden derartige Eingriffe zugeben.
SPD-Chefin Saskia Esken hatte im vergangenen Jahr ihre Sympathie zur Antifa bekundet, war aber in die Kritik geraten, weil sie nicht in die Nähe von Gewalttätern gerückt werden wollte. Um ihr zu helfen, änderte ein Mitarbeiter flugs den Artikel über die Antifa, sodass eine oberflächliche Google-Suche Esken nicht ganz so schlecht aussehen ließ.
Nicht immer sind Manipulationen politisch motiviert.
Mehrere Marketing-Agenturen bieten großen Unternehmen an, deren Artikel positiv umzuschreiben. Plumpe Werbung verbieten die Wikipedia-Regularien einfach – doch wer geschickt genug ist, nicht ganze PR-Texte zu kopieren, sondern subtile Änderungen einfließen zu lassen, kommt schnell an sein Ziel.
Manchmal ist es jedoch noch simpler.
Claas Relotius hatte bekanntermaßen mit erfundenen Geschichten im SPIEGEL einen der größten Presseskandale der Bundesrepublik ausgelöst. Der Fall wurde auf Wikipedia entsprechend dokumentiert. Jedenfalls bis ein Benutzer ganze Passagen entfernte und entlastende Informationen einbaute. Den zuständigen Wikipedia-Administratoren fielen schnell Widersprüche auf und setzten die Änderungen zurück. Eine Untersuchung der IP-Adresse ergab, dass die Editierungen aus dem niedersächsischen Seevetal vorgenommen wurden – der Heimat Relotius‘.
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