Berlin – Dem neuen Bundestag droht gleich in der ersten Sitzung ein Eklat. Bei der Wahl des Parlamentspräsidiums am Dienstag wollen alle anderen Fraktionen den AfD-Kandidaten Albrecht Glaser für einen Stellvertreterposten durchfallen lassen.
Die nationalkonservative Alternative für Deutschland, die nach Union und SPD die drittstärkste Fraktion im neuen Parlament stellt, will aber nicht einknicken. Sie beschloss, keinen Ersatzkandidaten aufstellen. Der Ausgang des Streits ist offen.
Zum Präsidenten des Bundestags soll in der konstituierenden Sitzung der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble gewählt werden. Der 75-jährige CDU-Politiker übernimmt damit das formell zweithöchste Staatsamt nach dem Bundespräsidenten, aber noch vor der Bundeskanzlerin. Die AfD will geschlossen gegen Schäuble stimmen – unter anderem wegen seiner Eurorettungspolitik.
Jede der sechs anderen neben der CDU im neuen Bundestag vertretenen Parteien erhält einen Vizeposten. Bisher war es üblich, dass die Stellvertreter fraktionsübergreifend gewählt werden. Der 75-jährige AfD-Politiker Glaser stößt jetzt aber in allen anderen Fraktionen auf Ablehnung.
Stein des Anstoßes sind islamkritische Äußerungen des früheren Frankfurter Stadtkämmerers. Ihm wird vorgeworfen, die Religionsfreiheit einschränken zu wollen.
Der AfD-Politiker benötigt in den ersten beiden Wahlgängen die Stimmen der Mehrheit aller Abgeordneten, also 355 von 709. Im dritten Wahlgang reicht es, wenn er mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommt. Wenn der Kandidat auch dann noch durchfällt, muss der Ältestenrat entscheiden, wie es weitergeht.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber rief dazu auf, dem Streit über den AfD-Kandidaten nicht zu große Bedeutung zukommen zu lassen. Es sei eine «Sternstunde des Parlamentarismus», wenn ein neues Parlament zusammentrete, sagte er am Montag nach Sitzungen der CDU-Spitze in Berlin. Deswegen sei er «nicht geneigt, jetzt bei jeder beginnenden Parlamentssitzung mir die Frage zu stellen: Was tut diese eine neue Fraktion oder ihr Kandidat?»
CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder sagte, die AfD-Entscheidung, gegen Schäuble stimmen zu wollen, sei in der Union «mit großem Interesse zur Kenntnis genommen». Er ergänzte: «Da kann sich jeder vorstellen, wie das in unserer Fraktion wirkt.»
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles schlug ein Gesprächsangebot Glasers aus. «Herr Glaser hat die letzten zwei Wochen Zeit gehabt, sich zu dem, was wir von ihm gerne gewusst hätten, zu äußern», sagte Nahles. «Meine Zeit ist auch sehr eingeschränkt.» Linke-Chef Bernd Riexinger mahnte, mit der AfD würden «neofaschistische Kräfte» in den Bundestag einziehen.
Die Eröffnungsrede im neuen Bundestag hält der FDP-Politiker Hermann-Otto Solms als Alterspräsident. Er ist der Abgeordnete mit den zweitmeisten Dienst- (33) und auch den zweitmeisten Lebensjahren (76). Eigentlich hätte Schäuble das Rederecht zur Eröffnung gehabt, weil er seit 45 Jahren dem Bundestag angehört und damit so lange wie kein anderer Abgeordneter. Da er aber nach seiner als sicher geltenden Wahl zum Bundestagspräsidenten eine Antrittsrede halten wird, ließ er Solms den Vortritt.
In der vergangenen Legislaturperiode waren noch die Lebensjahre für die Bestimmung des Alterspräsidenten ausschlaggebend. Kurz vor der Wahl wurde diese Regel aber geändert. Andernfalls hätte der 77 Jahre alte AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg die erste Sitzung eröffnet.
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- Albrecht Glaser: dpa