Kann das Tanzverbot auf Dauer Bestand haben in diesem Deutschland?

Liebe Leserinnen und Leser,

„…lauter Sound und bunte Lichter, lassen uns von innen glitzern“, so benäselt der Hamburger Soul- und HipHop-Sänger Jan Delay, der eigentlich Jan Philipp Eißfeldt heißt, die Glücksgefühle beim Tanz in der Disco. Wörtlich: „Eine volle Packung Disko – Ja die bringt dich wieder rauf!“ Da hat er zweifellos recht, der Jan. Musik als Stimmungsaufheller, noch dazu in ernsten Zeiten? Es gibt kaum etwas Besseres als zu guter Mucke in der Disse abzuzappeln, wie jüngere Menschen das so ähnlich zu formulieren belieben. Aber was machen wir dann jetzt?

Gestern war Karfreitag, Feiertag in Deutschland mit ernstem Hintergrund. Für die, die in der Schule nicht aufgepasst haben: An diesem Tag gedenken etwa 2,5 Milliarden Christen rund um den Erdball der Kreuzigung Christi – ein Ereignis, das die Welt epochal beeinflusst hat, auch für diejenigen, die selbst nicht an einen Gott glauben. Party am Karfreitag – No Way für jemanden wie mich. Doch es ist sogar noch „schlimmer“ – das gesetzliche Tanzverbot gilt auch an Allerheiligen, am Buß- und Bettag, Volkstrauertag, Totengedenktag, Gründonnerstag (ab 18 Uhr), und Karsamstag (bis 20 Uhr). An diesen Tagen hat Jan Delay zwar nicht Näsel- aber definitiv Tanzverbot.

Doch, nichts was verboten ist – wenn auch aus guten Gründen – in Deutschland finden sich sofort auf jeden Fall Helden, die uns befreien wollen vom schlimmen Joch des demokratischen Rechtsstaats. Waren es zunächst Discobetreiber, die nicht einsehen wollen, warum der Rubel nicht rollen sollte an solchen Tagen, so fanden sich bald politische Weggefährten, die wir alle ahnen und kennen: Linke, Grüne, auch mal eine Juso-Ortsgruppe und natürlich Atheisten-Sekten wie der sogenannte „Bund für Geistesfreiheit“ in Bayern, die klagten und Petitionen auf den Weg bringen. Immerhin ein guter Name, denn frei von jedem Geist ist auch Geistesfreiheit.

Aber immer gibt es welche, die unbedingt tanzen wollen, wenn viele andere gleichzeitig trauern. Nun, in einer funktionierenden Gesellschaft, könnte man sich schnell darauf einigen, dass gegenseitiges Rücksichtnehmen eine demokratische Tugend und Toleranz nicht nur ein linksgrünes Modewort ist. Nicht so in Deutschland.

Am Nachmittag stoße ich auf einen Beitrag des FDP-Politikers Thomas Kemmerich, der sich im Netzwerk Linkedin Sorgen macht, ob das Tanzverbot noch zeitgemäß ist. „Müssen wir wirklich allen Menschen vorschreiben, sich still zu verhalten“, fragt der Kurzzeit-Ministerpräsident von Thüringen, der heute noch regieren würde, wenn er die richtige Antwort auf die Frage seines Parteichefs Christian Lindner gegeben hätte: „Willst du dir wirklich von dieser Kanzlerin vorschreiben lassen, einen abgewählten Kommunisten wieder den Weg in die Staatskanzlei zu ebnen?“ Aber hätte, hätte, Fahrradkette. Vorbei.

Dennoch ist die Frage Kemmerichs natürlich ein Stück weit berechtigt. So lange Deutschland ein Land mit fast vollständiger christlicher Bevölkerung war, stellte das Tanzverbot niemand in Frage. Eine christlich majorisierte Bevölkerung will gar nicht tanzen am Gedenktag des Todes von Jesus Christus. Aber heute? Im Deutschland der bunten Vielfalt mit Millionen Gästen und eingebürgerten Muslimen? Im Land des grenzenlosen deutschen Hedonismus, wo viele den Besuch mit den Nachbarn im Swingerclub einer Heiligen Messe vorziehen, wo uns die Staatssendeanstalten rund um die Uhr mit Belanglosigkeiten und Unterhaltung für bildungsferne Schichten berieseln? Und warum verbietet man Trauern nicht einfach ganz, grundsätzlich auch für Familienangehörige? Oder erlaubt Sommerfeste mit Grillen mitten auf christlichen Friedhöfen?

Es gibt zunehmend Tage, da macht mich dieses Land und seine Libertinage krank. Und ganz sicher nicht, weil ich irgendwie verklemmt bin. Ich habe vielmehr Freud gelesen und mir seinen unvergesslichen Satz eingeprägt, nach dem „der Verlust der Scham ein sicheres Anzeichen für einsetzenden Schwachsinn“ ist. Ich glaube, der Psychotherapeut aus Österreich liegt vollkommen richtig mit seiner Einschätzung.

Aber zurück zum Tanzen. Vor 20 Jahren als ich meine segensreiche publizistische Tätigkeit in Köln dazu nutzte, mit der Tageszeitung „20 Minuten“, deren Chefredakteur ich war, gegen das Aufbegehren von Homosexuellenverbänden anschrieb, die unbedingt einen Christopher-Street-Day um den Kölner Dom herumtanzen lassen wollten, während zeitgleich drinnen Priester geweiht werden sollten. Damals war ich mit meiner Auffassung noch auf der Gewinnerseite, weil ich aus eigenem Antrieb im erweiterten Team vom großartigen Kardinal Meißner mitkämpfte. Heute? Unsereins hätte Chance gegen den linksgrünen Mainstream in der fürchterlichsten deutschen Millionenstadt.

Ich muss leider sagen, in einer zunehmend säkularisierten – entchristlichten – Gesellschaft, ist der Anspruch auf den Verzicht von Partys an christlichen Gedenktagen nicht mehr ohne weiteres zu begründen. Ich fände gut, wenn gegenseitige Rücksichtnahme herrschen würde, aber das kann man in diesem Deutschland wohl nicht mehr verlangen. Schade eigentlich…

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.