von MAGDALENA TRÖNDLE & JÖRG VOGELSÄNGER
WASHINGTON – Fast anderthalb Jahre hat ein Untersuchungsausschuss die Geschehnisse rund um den Sturm auf das US-Kapitol im Januar 2021 aufgearbeitet, mehr als 1000 Zeugen befragt, unzählige Beweise gesammelt.
Nun legte das Gremium kurz vor Weihnachten und der Zusammensetzung des neuen US-Kongresses im Januar seinen Abschlussbericht vor: Auf 845 Seiten zeichnet der Ausschuss darin das detaillierte Bild eines Umsturzversuchs nach, bei dem die Wahlen 2020 gekippt und eine friedliche Machtübergabe verhindert werden sollte. Zentrale Ursache: Ex-Präsident Donald Trump. Das Gremium rät dazu, Trump von einer weiteren Präsidentschaft auszuschließen.
Fast zwei Jahre liegen die gewalttätigen Ausschreitungen am Sitz des US-Kongresses in Washington zurück. Am 6. Januar 2021 hatten Anhänger Trumps das Kapitol gestürmt, in dem die Wahlniederlage des Republikaners gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte. Eine von Trump aufgestachelte Menge drang gewaltsam in das Gebäude ein, fünf Menschen starben. Trump, der von 2017 bis 2021 Präsident der Vereinigten Staaten war, behauptet bis heute, ihm sei die Wahl «gestohlen» worden. Vor wenigen Wochen kündigte der 76-Jährige an, bei den Präsidentschaftswahlen 2024 erneut für seine Partei ins Rennen zu gehen.
Bereits bei seiner letzten öffentlichen Anhörung am Montag hatte das Gremium eine strafrechtliche Verfolgung Trumps in vier Anklagepunkten empfohlen. Die Anschuldigungen gegen den Ex-Präsidenten wiegen schwer: Das Gremium wirft ihm unter anderem vor, die Menge zum Aufruhr angestiftet zu haben. Vorgeworfen werden Trump und weiteren Beteiligten auch die Behinderung eines öffentlichen Verfahrens, Verschwörung gegen die US-Regierung und Falschbehauptungen gegenüber dem Staat. Ob das Justizministerium tatsächlich strafrechtliche Schritte einleitet, ist offen, denn die Empfehlung ist rechtlich nicht bindend. Dennoch ist der Schritt ein deutliches Signal, und eine Strafverfolgung Trumps ist wahrscheinlicher geworden.
Ausschluss: Trump sollte öffentliches Amt untersagt werden
Der nun veröffentlichte Abschlussbericht enthält insgesamt elf Empfehlungen. Darin heißt es, Trump solle von einer weiteren Präsidentschaft ausgeschlossen werden. Denn: Jemand, der einen Eid auf die Verfassung geschworen habe, sich dann aber an einem Aufstand gegen diese Verfassung beteiligt oder Feinde der Verfassung unterstützt habe, könne laut 14. Verfassungszusatz künftig von der Ausübung eines öffentlichen Amtes ausgeschlossen werden. Der Ausschuss ruft den Kongress auf, Mechanismen zu schaffen, um zu prüfen, ob in dem Abschlussbericht genannte Personen gemäß der Verfassung von der Ausübung öffentlicher Ämter auf Bundesstaats- oder Staatsebene ausgeschlossen werden können.
Trump wird in dem Bericht als Hauptverantwortlicher eines beispiellosen Angriffs auf die US-Demokratie beschrieben: «Die zentrale Ursache des 6. Januar war ein Mann, der ehemalige Präsident Donald Trump.» Ohne ihn wäre der 6. Januar nicht geschehen, heißt es in dem Dokument. In dem Bericht werden zwar auch Versäumnisse der Sicherheitsdienste genannt. Sicherheitsmängel seien aber nicht die Ursache des Angriffs gewesen. «Dass der Präsident der Vereinigten Staaten einen Mob anstiftet, auf das Kapitol zu marschieren und die Arbeit des Kongresses zu behindern, ist kein Szenario, das sich unsere Nachrichtendienste und Strafverfolgungsbehörden für dieses Land vorgestellt haben», schrieb der demokratische Ausschussvorsitzende Bennie Thompson.
Trump spricht erneut von «Hexenjagd»
Trump wies den Bericht auf Truth Social erneut als parteiisch zurück und beharrte auf seiner Sicht, es habe Wahlbetrug gegeben. Das Ganze sei eine «Hexenjagd».
Die scheidende demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, schrieb in einem Vorwort zu dem Bericht, die Ergebnisse müssten ein Aufruf an alle US-Amerikaner sein, «unsere Demokratie wachsam zu bewahren und unsere Stimme nur denjenigen zu geben, die unsere Verfassung pflichtbewusst verteidigen». Die Arbeit des Untersuchungsausschusses unterstreiche, «dass unsere demokratischen Institutionen nur so stark sind wie das Engagement derjenigen, die mit deren Aufsicht betraut sind».
Trump könnte angeklagt werden
Was die Empfehlung des Ausschusses zur strafrechtlichen Verfolgung Trumps in vier Anklagepunkten angeht, muss nun das Justizministerium prüfen, ob es genügend Beweise für weiteren Schritte gegen den Republikaner hat: Am Ende könnte Trump angeklagt werden. Der seltene Straftatbestand des Aufruhrs ist dabei der schwerwiegendste: Er ist dem US-Gesetz zufolge erfüllt, wenn zum Aufstand gegen die Autorität des Staates oder der Gesetze angestiftet oder sich daran beteiligt wird. Dies wird mit einer Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zehn Jahren oder mit beidem bestraft. Sollte Trump wegen Aufruhrs verurteilt werden, dürfte er kein politisches Amt mehr ausüben.
Bildquelle:
- Donald Trump: dpa