Stichwahl Macron gegen Le Pen: Die politischen Lager gruppieren sich jetzt neu

dpatopbilder - Emmanuel Macron spricht nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse in Paris zu seinen Unterstützern. Foto: Thibault Camus/AP/dpa

PARIS – Nach dem Erfolg des liberalen Staatschefs Emmanuel Macron und der Rechten Marine Le Pen in der ersten Rund der Präsidentschaftswahl steht Frankreich vor einer richtungsweisenden Entscheidung.

Laut Zahlen des Innenministeriums aus der Nacht zum Montag kam Macron nach Auszählung von 97 Prozent der Stimmen auf 27,6 Prozent. Le Pen vom Rassemblement National landete demnach mit 23,4 Prozent auf Platz zwei. Beide zogen somit in die Stichwahl am 24. April ein, die übrigen zehn Kandidaten sind raus.

Umfragen sagten noch am Wahlabend einen eher knappen Ausgang dieser Stichwahl voraus. Das renommierte Institut Ipsos-Sopra Steria sah Macron mit 54 Prozent der Stimmen als Sieger. Beim Institut Ifop-Fiducial fällt der voraussichtliche Vorsprung Macrons mit 51 Prozent der Stimmen hingegen äußerst gering aus. Immer wieder mal gewann in der Stichwahl auch ein Kandidat, der in der ersten Runde auf Platz zwei gelandet war. Entsprechend warnte der Staatschef: «Vertun wir uns nicht, nichts ist entschieden.» Macron ergänzte: «Ich bin entschlossen und mir sehr bewusst, was auf dem Spiel steht: Die nächsten zwei Wochen werden für unser Land entscheidend sein.»

Macron reist in den Nordosten

Der 44-jährige Macron, der im Wahlkampf bisher kaum sichtbar war, reiste am Montag wohl im Bemühen um mehr Bürgernähe ins nordostfranzösische Denain. Die Wähler der ärmlichen Stadt hatten am Sonntag mehrheitlich seiner Konkurrentin Le Pen die Stimme gegeben. Auch der Linkspolitiker und landesweit Drittplatzierte Jean-Luc Mélenchon landete hier noch vor Macron.

Die Stichwahl zwischen Macron und Le Pen ist eine Neuauflage ihres Duells von 2017. Damals unterlag die Rechte dem Politikjungstar klar. «Was am 24. April auf dem Spiel steht, ist keine Wahl der Umstände, sondern eine Entscheidung für die Gesellschaft, eine Entscheidung für die Zivilisation», sagte Le Pen am Sonntagabend. Zwei entgegengesetzte Visionen für die Zukunft hätten sich durchgesetzt.

Macron, der der Rechten Einhalt gebieten wollte, räumte ein: «Wenn die Rechtsextreme in all ihren Formen so viel Rückhalt im Land hat, kann man nicht davon sprechen, dass die Dinge gut laufen.»

Ein Sieg der 53-jährigen Le Pen wäre für Deutschland und Europa ein Schock mit bedeutungsschweren Folgen. Le Pen stellt die seit Jahrzehnten enge Zusammenarbeit mit Berlin in Frage und strebt eher nach Kooperation mit anderen Euroskeptikern wie den Regierungen in Budapest oder Warschau. In der Europäischen Union könnte Frankreich unter ihr vom Treiber zum Bremser werden, ganz anders als unter dem proeuropäisch engagierten Macron. In der aktuell eskalierenden Krise zwischen dem Westen und Russland befürchten Europa und die USA mit Le Pen ein Bröckeln der festen Pro-Ukraine-Front.

Erneute «Mauer» gegen die Rechte formiert sich

Auch in Frankreich bangt man vor einem Einzug Le Pens in den Élyséepalast. Die Unterstützungsaufrufe für Macron setzten schon kurz nach den ersten Hochrechnungen ein. Während die Bewerber der Grünen, Sozialisten und Republikaner ihre Anhänger klar dazu aufriefen, in der Stichwahl für Macron zu votieren, rief der Linke und Drittplatzierte Mélenchon lediglich eindringlich dazu auf, keine Stimme an Le Pen zu geben, und wurde damit dennoch deutlicher als vor fünf Jahren. Die Formierung einer erneuten «Mauer» gegen die Rechte scheint folglich bereits im Gange.

Le Pen hingegen müsste erheblich gegen Macron mobilisieren, um zu gewinnen. Zwar kann sie auf Unterstützer von Zemmour und Stimmen einiger rechter Konservativer setzen, jedoch kaum aus dem Mitte-Links-Lager, dem sie sich nach der Wahl mit Forderungen zu sozialer Gerechtigkeit bereits zu nähern versuchte. Hier würde es ihr wohl vor allem helfen, wenn von Macron frustrierte Linke der Wahl einfach fernblieben und so ihre Prozente in die Höhe trieben.

Le Pen, die bereits zum dritten Mal antritt, hatte sich im Wahlkampf um ein gemäßigteres Auftreten bemüht. Sie inszenierte sich zugleich als Anwältin derjenigen, die unter der Inflation und den steigenden Preisen für Strom, Sprit und Lebensmittel leiden. Anders als Macron machte sie seit Monaten in zahlreichen Städten persönlich Wahlkampf.

Macron setzte im Wahlkampf auf wirtschaftlichen Fortschritt. 2017 hatte er mit seiner Bewegung La République en Marche den Einzug in den Élyséepalast geschafft. Der einst eher linke Kandidat vertritt mittlerweile stärker liberal-konservative Positionen. Er profitierte von der Schwäche anderer Kandidaten, dem Wunsch nach Stabilität inmitten des Ukraine-Kriegs und manchen Erfolgen als Präsident.

Der französische Staatschef hat weitreichende Machtbefugnisse und amtiert fünf Jahre. Etwa 48,7 Millionen Französinnen und Franzosen waren zur Wahl eingeschrieben. Die Wahlbeteiligung lag laut einer Schätzung des Umfrageinstituts Ipsos kurz nach Schließung der Wahllokale bei 74,0 Prozent.

Bildquelle:

  • Präsidentschaftswahl in Frankreich: dpa

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren