Alles hört auf mein Kommando: Warum Patienten pünktlich beim Arzt sein müssen

Führt ein strenges Regiment, um ihre Patienten zur Pünktlichkeit zu erziehen: Dr. Nicole Lenz.

von Dr. NICOLE LENZ

POTSDAM -Im vergangenen Artikel sprach ich über Gelassenheit. Wie schaffen wir diese in einem stressigen Berufsalltag zu integrieren?

Am besten geeignet sind Strukturen. Und eine ausgeprägte Zeitplanung. Allein der geordnete Rahmen meiner Bestellpraxis führte dazu, dass Sie jetzt diesen Artikel lesen dürfen. Sie können sich sicher vorstellen, dass Termine zeitlich eingehalten werden müssen, um einen reibungslosen Praxisablauf zu gewährleisten… Ich hasse Zeitverschwendung, schließlich hat jeder von uns nur eine gewisse Anzahl an Lebenszeit.

In meiner Jugend durfte ich in regelmäßigen Abständen zum Orthopäden nach Cottbus, das war von meiner Schule 20 Minuten entfernt. Mit dem Auto. Meine Eltern holten mich ab und begleiteten mich dorthin. Immerhin konnte ich so Zeit mit ihnen verbringen, denn wir hatten regelmäßig das Wartezimmer drei bis vier Stunden mit ganz vielen Menschen für uns.

Deshalb mag ich Pünktlichkeit. Und eines schönen Tages kam jedoch wieder ein Neupatient mit Schmerzen in die Praxis, seinerseits wohl pünktlich, was heutzutage ja auch eine Seltenheit darstellt – nur brauchte dieser eine gefühlte Ewigkeit, um ein paar Kreuze auf dem üblichen Anamnesebogen zu machen. Der Bogen sorgt regelmäßig für Aufruhr bei den Neupatienten, weil sie schon wieder was ausfüllen sollen.

Andererseits: der Behandler muss wissen, mit wem er es zu tun hat, und welche Medikamente möglicherweise eingenommen werden. Ich wartete also etwas ungeduldig darauf, dass der Patient endlich fertig wurde. Denn er war ja in diesem Moment der einzige, und der Druck, dass gleich der nächste die Praxis betreten wird, stieg. Niemand mag Zahnärzte, da sollte die Wartezeit so kurz wie möglich sein. Jedenfalls verbrachte er die Hälfte der für ihn eingeplanten Zeit, mit dieser intensiven Aufgabe, im schönen Wartebereich meiner Praxis. Während ich wartete, wurde ich zunehmend ungehaltener angesichts dessen, dass ich ungern in Verzug gerate.

Das zum Thema Gelassenheit. Klappt ganz gut, wie Sie sehen. Zudem treffe ich jeden Tag auf verschiedene Charaktere, auf jeden einzelnen ist mit seinen Bedürfnissen speziell einzugehen. Da geht es um Personen mit so großer Angst, dass bei Behandlungen jeglicher Art, auch Kontrollen, der ganze Behandlungsstuhl wackelt wie ein Zitteraal. Andere brauchen lediglich die Praxis betreten und sind so schweißgebadet, dass sie danach die praxisinterne Dusche nutzen könnten. Viele bringen ihr Kuscheltier, ihre Partner oder beste Freunde mit. Vielleicht kennen Sie eine dieser Situationen selbst. Und auf jeden einzelnen muss im Minutentakt eingegangen werden. Muss sich Zeit genommen werden. Mehr Zeit als üblich eingeplant werden, wenn der Ablauf reibungslos bleiben soll.

Und an diesem Tag war es erstmal an mir, diesen Mann direkt darauf hinzuweisen, dass er meinen Zeitplan killt. Ohne auf seinen Charakter einzugehen. Ein anderer hätte das als ziemlich brüsk empfunden, er nannte es die „Direktheit ostdeutscher Frauen“. Und wie das Leben so manchmal spielt: Nachdem ich mich um sein Anliegen kümmerte, hatten wir dennoch Zeit uns kurz zu unterhalten. Jaja, von wegen des ersten Eindrucks und so. Ich erzähle Ihnen auch, dass wir die Nummern ausgetauscht haben, um uns auf diesem beruflichen Feld einmal zu treffen. Und hier lesen Sie nun. So schnell kann eine Wendung von Ungeduld in Gelassenheit eintreten, wenn nur der Blickwinkel einmal verändert wird.

Sie dürfen in den nächsten Wochen teilhaben, mein Herzensthema näher kennenzulernen. Mein Ziel ist es, dass Sie und ganz viele andere Menschen weniger Angst vor meiner Berufsgruppe haben, weil ich Ihnen die Themen einmal leicht erklären und von anderer Seite beleuchten möchte.

Sie glauben gar nicht, wie oft ich Geschichten schrecklichster Erfahrungen auf Zahnarztstühlen von meinen Patienten höre. Ob es das Zahnziehen unter starken Schmerzen ist, weil wohl nicht lange genug gewartet wurde, bis die Betäubung richtig wirkt. Oder das Festhalten, um die Behandlung zu beenden. Was ich auch schon mehrfach hörte, jedoch kaum glauben kann – es haben sich wohl Zahnärzte beim Zahnziehen schon auf die Patienten gesetzt. Wie soll das gehen? Gut, im Studium hatten wir Puppen, an den wir lernten. Die hatten teilweise nur einen Torso, also einen Oberkörper. Bei „Behandlungen“ dieser saß schon der eine oder andere Student direkt davor, also im Prinzip direkt auf dem Bauch des Patienten. Damals im Studium war das ein running gag, weil die Vorstellung so dermaßen lustig war. Ach, so eine Erinnerung ist toll. Es sind immerhin schon 15 Jahre vergangen. Sie können sich jetzt vielleicht vorstellen, wie viele Schicksale in solchen Geschichten stecken. Das muss sich ändern. Sie können das ändern. Indem Sie mehr wissen. Bleiben Sie dran!

Bildquelle:

  • Dr._Nicole_Lenz: stefan specht

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